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Kinder und digitale Medien – nur Mut!

Neben all den anderen Schreckensmeldungen über Kinder in der Coronakrise wird auch eins immer wieder genannt: Unsere Kinder nutzen zu viele Medien. Kinder und Medien, das war ja schon vor der Pandemie ein heißes Eisen. Doch nun scheint es besonders problematisch geworden zu sein.

Die Kinder haben Studien zu Folge sehr viel mehr Zeit mit digitalen Medien verbracht, als vorher schon. Das muss eigentlich nicht wundern und ist auch kein wirklicher Grund für eine Skandalisierung. Erstens ist es nämlich so, dass in vielen Familien unter den derzeitigen Bedingungen wenig anderes übrig blieb und zweitens erwächst aus einer Zwischenlösung (wenn in diesem Fall auch einer ziemlich langen) nicht sofort ein massives Problem.

Letztlich ist sowieso die Frage, wann und unter welchen Umständen überhaupt ein Problem aus der Nutzung von digitalen Medien durch Kinder erwächst. Nicht jedes Kind, was vorübergehend oder längerfristig etwas ausschweifender zockt, gerät dadurch in die gefürchtete Abhängigkeit. Genauer gesagt sind die Zahlen derer, auf die das tatsächlich erwiesenermaßen zutrifft, sogar recht gering. Zwar geistern manchmal Zahlen durchs Netz, die das Gegenteil behaupten, doch hier lohnt es sich, genau hinzuschauen. Die Initiative SCHAU HIN schreibt dazu auf ihrer Webseite:

Es müssen jedoch mehrere Faktoren zusammen kommen, bis sich aus einer intensiven Mediennutzung eine krankhafte Sucht entwickelt. Entgegen des weit verbreiteten Alarmismus ist der Anteil Jugendlicher mit exzessiver Mediennutzung relativ klein und zeitlich begrenzt. Von Mediensucht zu sprechen, ist grundsätzlich schwierig, denn die Sucht nach Medien ist noch nicht offiziell als Krankheit anerkannt. Exzessive Mediennutzung lässt sich nicht allein an der verbrachten Zeit messen. Ausschlaggebend ist vor allem, inwieweit es durch die Nutzung zu gesundheitlichen, leistungsbezogenen, sozialen oder emotionalen Problemen kommt, wie etwa eine extreme gedankliche Fixierung oder depressive Reaktionen bei längerer Abstinenz. 2018 hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Kriterien für eine Computerspielsucht offiziell festgeschrieben. Damit wird jedoch nur ein Teilbereich des breiten Medienspektrums abgedeckt.

(Quelle: https://www.schau-hin.info/sicherheit-risiken/mediensucht-wann-ist-viel-zu-viel)

Es bleibt also abzuwarten, wie viele Kinder und Jugendliche im Rahmen dieser Pandemie tatsächlich in ein Suchtverhalten abgeglitten sind, das über einen längeren Zeitraum als solches durchgeht.

Nichts desto trotz macht es Sinn, sich mit dem Thema Kinder und Mediennutzung auseinanderzusetzen. Wichtig ist dabei zunächst, dass es nichts schlechtes ist, wenn Kinder sich mit digitalen Endgeräten auskennen und diese gern benutzen. Denn gerade das hat ja die Pandemie auch gezeigt. Die Digitalisierung der Kinderzimmer bietet uns viele Möglichkeiten und sie ist nicht, wie mancher Mahner uns weismachen möchte, zu weit, sondern vielerorts nicht weit genug fortgeschritten. Viel mehr sollten wir uns immer wieder fragen, WAS unsere Kinder tun.

Vorweg – es spricht überhaupt nichts dagegen, dass sie auch mal zocken. In die Welt der Games einzutauchen, kann für sie gerade in schwierigen Zeiten auch eine Bereicherung und letztlich Erleichterung sein. Wir alle wissen, dass gelegentliches “Flüchten” in andere Welten guttut, solange es im Rahmen bleibt. Wichtig ist es hier, mit den Kindern in Kontakt zu bleiben und selbst Interesse an der virtuellen Welt zu zeigen. Wenn ein Elternteil (oder beide) selbst gern daddelt, dann ist das meistens kein Problem. Doch auch Eltern, die damit eigentlich wenig anfangen können, sollten sich darauf einlassen. Oft verarbeiten gerade Kinder und jüngere Jugendliche das Erlebte auch noch, indem sie uns ausschweifend davon erzählen. Das kann für uns Erwachsene manchmal ganz schön ermüdend sein (oh wie ich das kenne!), aber in solchen Berichten stecken viele wertvolle Informationen.

Wir lernen daraus zum einen, WAS den Kindern an ihren Welten gefällt, was sie dort genau tun, was sie frustriert und was ihnen Freude macht. Wir bekommen mit, wie sie dort mit Schwierigkeiten und Frustrationen umgehen und erhalten wertvolle Hinweise darüber, wer unsere Kinder sind, auf die wir auch im Alltag zugreifen können. Außerdem merken wir aber so auch, wenn etwas nicht passt. Gerade, wenn unsere Kinder sich auch in der Onlinewelt bewegen, ist es besonders wichtig, nah an ihnen dran zu sein und zum Beispiel im Blick zu haben, ob sie dort mit fremden Menschen in Kontakt treten und sie für die Gefahren zu sensibilisieren.

Doch mehr noch finde ich es wichtig, Kinder möglichst früh zur kreativen Beschäftigung mit ihren Geräten anzuregen. Die Möglichkeiten sind da grenzenlos. Von Lernapps über Wissenssendungen bei den üblichen Streamingdiensten und Mediatheken oder auf YouTube, über Spiele, in denen man selbst bauen und gestalten kann bis hin zum spielerischen Erlernen von Programmiersprachen. Diese Art Mediennutzung ist ebenfalls wichtig für unsere Kinder, bringt sie weiter und hilft ihnen, mit Technik vertraut zu werden. Dazu birgt sie wenig bis keine Gefahren.

Aber – was ist mit echten Erfahrungen, schreien jetzt vielleicht einige. Kinder erleben durch digitale Medien doch nichts “in echt”. Doch auch das ist weit gefehlt. Denn vieles, was sie da sehen inspiriert und regt an. So wird bei uns zum Beispiel seit Monaten exzessiv gebastelt – Schuld sind diverse Kanäle auf YouTube, die die Kinder nicht nur zum Nachmachen, sondern auch zum Entwickeln eigener Ideen anregen. Auch für Aktivitäten an der frischen Luft kann man sehr viel Inspiration finden. Und hey – schon mal probiert mit den Kindern die virtuelle Welt, in der sie gerade gern sind, mit Lego, Holz im Wald oder Schnee nachzubauen? Wenn nicht, dann bitte ganz schnell damit anfangen.

Und wann ist es Zeit zum Abschalten? Diese Frage kann ich dir so pauschal nicht beantworten. Ich rate dir stattdessen dich genau mit den Menschen zu beschäftigen, die du da ins Leben begleitest und mit ihnen im Gespräch zu bleiben. Ich bin mir sicher, gemeinsam findet ihr genau das heraus.

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Fotos: Inka Englisch (Link)

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Unternehmerin, Erziehungswissenschaftlerin, Familienberaterin, Autorin, dreifache Mama und vor allem für Sie und ihre Familie da.

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