Gestern habe ich von meiner alten Bekannten erzählt und wie ich sie gerade auf Abstand halte. Dazu gehört, wie du vielleicht gelesen hast auch, dass ich auf einige liebgewonnene Dinge verzichten.
Verzichten auf etwas, das ich mag, das ist eigentlich so gar nicht mein Ding. Meine Fastenprojekte der letzten Jahre waren somit meistens “Fasten fasten”, denn ich dachte mir, dass ich in meinem Mutteralltag schon genug Verzicht übe und mir nicht noch künstlich etwas verknappen muss. Am Ende, so meine Erwartung, hätte ich davon nur schlechte Laune und damit ist keinem geholfen, Gott schon gar nicht.
Ich hätte dieses Jahr mit Sicherheit auch wieder Fasten gefastet und mir Rotwein und Schokolade schmecken lassen, während andere verzichtet hätten. Doch es kam anders. Mein Körper teilte mir nämlich vor einige Wochen über meine gute, alte Bekannte, Urtikaria, mit, dass er Verzicht erwartet und zwar auf Wein, Schokolade, größere Mengen Kaffee, Hefeteige aller Art, Bier, Limonade, Tomaten und alles, was aus ihnen gemacht ist, Bananen, lang gereiften Käse, Hülsenfrüchte, weißes Mehl, Sauerteigbrot und Erdbeermarmelade. Um nur einen kleinen Auszug zu nennen. Und somit befinde ich mich mitten im extremsten Fastenprojekt, was ein Mensch wie ich nur beginnen kann. Denn ich liebe all die eben genannten Sachen und irgendwas davon steht IMMER auf unserem Tisch. Aber nun ja, mit über 40 ist es wirklich keine gute Idee mehr, sich mit dem eigenen Körper anzulegen. Also nahm ich die Challenge zähneknirschend an.
Nun denkst du vielleicht, dass mein Leben seither ernährungstechnisch echt trist und einseitig ist oder dass ich nur völlig abgefahrene Sachen aus der hinteren Ecke des Reformhauses essen darf. Zumindest habe ich das bis vor wenigen Wochen gedacht. Doch in Wahrheit ist der Speiseplan für histaminintolerante Menschen breit und vielfältig.
Mittlerweile habe ich eine Menge inspirierender Rezepte gefunden, die sich auch mit meinem Anspruch, frisch und gesund zu essen und “normales Zeug” auf den Tisch kommen zu lassen, vereinbaren lassen. Und ganz nebenbei hat mich diese Nahrungsumstellung dazu gebracht, mich wieder mehr mit dem auseinanderzusetzen, was ich da eigentlich so alles zu mir nehme. Es gibt nämlich nicht “die Histaminintoleranz”. Es gibt nur die eigene, ganz persönliche. Der Körper möchte hier ernstgenommen werden. Etwas, was andere problemlos essen, kann bei mir Beschwerden verursachen, dafür vertrage ich Dinge, die bei jemandem anders auf der dunkelroten Liste stehen.
Jetzt, nach etwas mehr als zwei Wochen Verzicht merke ich, dass mein Körper es mir tatsächlich dankt. Nicht nur die ungebetene Besucherin lässt sich kaum mehr sehen, auch andere Beschwerden, die ich immer auf dies oder das geschoben habe, treten nicht mehr auf. Ich fühlte mich wohl und lebendig. Ich esse gesund und ausgewogen und tatsächlich vielfältiger als vor der Nahrungsumstellung. Ich probiere aus, experimentiere und habe Spaß dabei. Und ich achte auf mich- trinke ich genügend Wasser (Histamin hasst diesen Trick), wie geht es meinem Vitamin-, Calzium- und Magnisiumhaushalt, welche Proteine kann ich gefahrlos zu mir nehmen, wie tue ich etwas für meinen Darm, welche Salate wachsen gerade draußen, welche Nahrung hat keine langen Wege oder Lagerzeiten hinter sich, bevor es im Supermarkt landet? Ich bereite vieles frisch zu und setze zum ersten Mal seit vielen Jahren mich selbst und meine Bedürfnisse an erste Stelle bei der Nahrungszubereitung (Eltern wissen, dass man das normalerweise frühestens wieder tut, wenn die Kinder ausgezogen sind).
Ja, manchmal vermisse ich es, einfach sorglos in ein Brötchen vom Bäcker zu beißen oder mir keine Gedanken über eine Essenseinladung machen zu müssen. Doch im Moment überwiegt die Freude darüber, dass ich es aus eigener Kraft schaffe, meinem Körper zu helfen und nebenbei ein paar nicht so tolle Nahrungsgewohnheiten mal sein zu lassen. Denn sind wir ehrlich, ein Übermaß an weißem Mehl, Zucker oder Schokolade schadet auch Menschen, die keine Probleme mit Histamin haben.
Ich gehe immer noch davon aus, dass ich viele liebgewonnene Gaumenfreuden irgendwann wieder in mein Leben lassen kann, denn ich habe schon einmal die Erfahrung gemacht, dass mein Körper sich erholt und wieder mehr verarbeiten kann. Doch bis dahin lerne ich noch weiter, wie ich ihm Gutes tun kann – und so manches neu entdeckte Rezept bleibt definitiv im Familienspeiseplan. Und für diese Erfahrung, so verzichtbar sie im Grunde ist, bin ich tatsächlich dankbar.