Eltern sein, Familie leben

Mutterherzgedanken V: 40 Tage Dankbarkeit – eine Challenge zur Fastenzeit

Gestern habe ich mein Dankbarkeitstagebuch in die Hände genommen. Es ist eine große Kladde, unscheinbar und schwarz, die mein Mann irgendwann einmal von einer Dienstreise übrig hatte. Darin stehen mittlerweile 622 Dinge, für die ich dankbar bin. Ich führe dieses Buch seit circa vier Jahren, allerdings schreibe ich nicht regelmäßig rein. Gestern jedoch hatte ich das Bedürfnis, es mal wieder mit der Schönheit dieser Welt zu füllen.
Nachdem ich meine Einträge gemacht hatte, habe ich ein bisschen darin herumgeblättert. Es ist ein Buch voller zauberhafter Momente. Kleine und große Freuden sind darin festgehalten. Der sich in der ersten Sonne verziehende Nebel über dem Laubendach des Nachbarn genauso, wie die Geburt der kleinen Nichte und des kleinen Neffens. Mein Dankbarkeitstagebuch erzählt Geschichten von Momenten, die mein Herz vor Glück übergehen lassen, genauso wie die, bei denen ich nur kurz inne halte und Schönheit genieße. Es erzählt Geschichten von überraschenden Wendungen und großer Erleichterung. Und zwischen den Zeilen erzählt es etwas ganz anderes: Es erzählt die Geschichte von schweren Tagen.
Ja genau – es erzählt die Geschiche von Angst und Kummer, von Trauer und Wut, von blöden Diagnosen und Schicksalsschlägen, von schlaflosen Nächten und dem bangen Erwachen danach. Von endlosen Lockdowns und heimlichen Tränen. Von zerbrochenen Freundschaften und frischen Kränzen auf Gräbern.
Sie sind dort nicht vermerkt, diese Geschichten, aber sie stehen zwischen jeder Zeile in diesem Tagebuch. Sie gehören dazu, sie sind die andere Seite dieser Schönheit und sie sind mein Antrieb, eben jene Schönheit zu sammeln. Ich schreibe in schweren Zeiten auf, was gut ist und woran ich mich festhalten kann, um Dunkelheit, Wut, Schmerz, Hass, Angst und Trauer nicht das letzte Wort zu lassen.
All die Momente, die ich dort gesammelt habe, sind nicht deshalb so schön, weil sie in ein perfektes Leben gefallen sind, sondern weil sie es eben genau nicht sind. Sie sind so wundervoll und festhaltenswert, weil sie mir zeigen, dass immer noch genug Schönheit übrig ist, genug Liebe, genug Freude, genug Güte und genug Wärme. Sie zeigen mir, dass dieses Leben lebenswert und wundervoll ist. Sie erinnern mich daran, dass ich das Leben jeden Tag neu umarmen darf und mich voller Vertrauen und mit einem Schuss Naivität hineinwerfen kann.
Ich darf neu vertrauen, auch wenn ich enttäuscht worden bin. Ich darf weiter lieben, auch wenn Liebe manchmal Schmerz bedeutet. Ich darf meine Kinder jeden Tag neu raus in diese Welt schicken, auch wenn dort schon manch Böses auf sie gelauert hat. Ich darf klärende Gespräche suchen, wo Beziehungen schwierig geworden sind, ich darf vergeben und vergessen, wenn mir danach ist. Einfach nur, weil es schön ist zu vergeben und zu vergessen. Ich darf loslassen, wo alles andere schwer fällt. 
Diese Momente zeigen mir, dass immer noch was geht. Wenn das Leben mir (wie jetzt gerade) ein paar Knüppel in Form von vorübergehenden Nahrungsmittelunverträglichkeiten zwischen die Beine wirft, finde ich ein Rezept für leckere Scones und feiere eine sonntägliche Teerunde. Wenn der einst so gute Freund mich überheblich abkanzelt und mir seine Geringschätzung entgegenbrüllt, investiere ich umso mehr in meine anderen Freundschaften und lasse mich von deren Liebe einhüllen. Wenn die Welt rau und kalt zu meinen Kindern ist, zünde ich Zuhause ein Feuer an, an dem sie sich wärmen können. Wenn ich trauere und vermisse, lehne ich mich an die Menschen an, denen es gerade genauso geht.
Wenn Themen beinah unerträglich schwer sind, konzentrieren ich mich auf die Menschen, die mir Mut zusprechen, ich feiere jedes konstruktive Gespräch, jeden Arzttermin und Medikamente, die wirken. Ich lasse zu, dass ein Sonnenaufgang mich berührt, während meine Fundamente wackeln.
Mein Dankbarkeitstagebuch ist mir eine Stütze geworden in den Momenten, in denen sich schwarze Löcher auftun, in die ich mich ansonsten hineinfallen lassen würde.
Sie sind mein Weg geworden Gott zu zeigen, dass ich ihn wahrnehme, auch wenn ich eigentlich enttäuscht und sauer sein möchte über das, was er mir und anderen zumutet.
Und gleichzeitig dachte ich mir gestern beim Blättern durch dieses Buch, dass es schade ist, dass ich es in den guten Momenten links liegen lasse und nur zur Hand nehme, wenn mir die Welt furchtbar schwer erscheint. Denn eigentlich hat jeder Durchschnittstag eine Menge Momente zu bieten, für die ich danken könnte. Während ich hier sitze und schreibe, schleicht unser Kater über die Wiese und versucht, einen kleinen Vogel zu jagen, der zum Glück viel schlauer ist als er. Ein paar Sonnenstrahlen schaffen es gleichzeitig für einen Moment durch die dichte Wolkendecke und heute morgen habe ich einen fröhlich verkleideten Vampir aus dem Haus geschickt. Diese kleinen Alltagsschnipsel sind nicht weniger wert als die großen Lebensmomente, die wir ab und zu geschenkt bekommen.
Morgen beginnt die Fastenzeit – und da ich meinen Blog sowieso gern wiederbeleben würde, habe ich beschlossen, ihn fürs Erste nicht mit pädagogischen Themen, sondern mit Dankbarkeit zu fluten. Bis Ostern werde ich hier Tagebuch bloggen. Vielleicht nicht jeden Tag (um ehrlich zu sein ganz sicher nicht jeden Tag), aber so oft wie möglich. 40 Tage Dankbarkeit, ein alter Hut, irgendwann hat die EKD das schon einmal gemacht, aber was solls? Ich glaube, gerade Zeiten wie diese schreien danach, dass wir das Gute sichtbar machen, die Menschlichkeit und Gottes Geschenke.
Bist du dabei? Dann nutze gern die Kommentarfunktion meines Blogs, meine Social Media Kanäle oder deine eigenen. Wenn du magst, nutze den Hashtag #dankbarelternseinfamilieleben dafür.
Fotos: Inka Englisch (Link)

Über mich:

Unternehmerin, Erziehungswissenschaftlerin, Familienberaterin, Autorin, dreifache Mama und vor allem für Sie und ihre Familie da.

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