Heute morgen bin ich kurz in Panik ausgebrochen. Mein Herz hat ganz unangenehm angefangen zu stolpern und in meinem Hals wurde es gefährlich eng. Gleichzeitig habe ich gelächelt und gesagt: Natürlich, das passt schon.
Nicht noch ein Termin
Auslöser dieser Szene war eine WhatsApp aus der hervorging, dass nun auch der letzte verbliebene Adventsnachmittag in diesem Jahr verplant ist. Natürlich mit einem Termin der Kinder, genau wie die anderen auch. Kurz erinnerte ich mich an den Advent vor zwei Jahren, mit geschlossenen Weihnachtsmärkten, abgesagten Feiern und vorgezogenen Ferien. Und ich wusste wieder, warum sich damals – trotz aller Schwere – ein tiefer innerlicher Frieden über mich gelegt hatte.
Muss diese Unsitte des verplanten Advents nun tatsächlich wieder um sich greifen, schimpfte ich vor mich hin, sollen doch die Extrovertierten rausgehen und feiern und uns Intros mit Tee, Plätzchen und Weihnachtsbüchern auf dem Sofa lassen, wo wir von Natur aus nun einmal hingehören.
Doch dann dachte ich an all die Schattenseiten der letzten Jahre. An das, was wir ehrlich vermisst hatten. Ausgefallene Lieblingsweihnachtsmärkte und zu wenige Begegnungen. An Lagerkoller statt Introvertierten-Romantik. Homeschooling und Lehrpläne, die durchgeballert werden mussten.
Nein, zurück möchte ich diese Zeit wahrlich nicht. Eigentlich freue ich mich auf Chorauftritte und von den Kindern mitgestaltete Gottesdienste, ich freue mich auf die Tanzaufführung auf dem Weihnachtsmarkt und auf das Theaterstück, bei dem eins der Kinder mitwirken wird. Ich freue mich, meine Freundinnen dort zu treffen, auf Glühweingeruch und Honigbonbons – und ja, ich freue mich auch wie verrückt auf die Zeiten, in denen wir dann wieder zu Hause sind und all den Lärm und die Reize aussperren können.
Fremdbestimmung
Vieles, so habe ich festgestellt, was mich an diesen Terminen im Advent stört, hat wenig mit den Veranstaltungen selbst zutun und mehr mit dem Gefühl, fremdbestimmt zu sein. Nicht mehr Herrin des eigenen Terminkalenders und somit Gestalterin, Macherin der Adventszeit. Und wenn ich eines nicht leiden kann, dann, wenn ich nicht selbst gestalten darf.
Eine Methode, mit der ich in meinen Beratungen gern arbeite, ist der Realitätsabgleich. Ist es denn realistisch, dass ich die Kontrolle über die Adventszeit verloren habe, nicht mehr Herrin der Dinge und Gestalterin bin? Nehmen mir 5 Termine in vier Wochen wirklich den Taktstock aus der Hand? Oder geht es nicht viel mehr um das bewusste Gestalten der anderen Zeiten? Und vielleicht – einmal mehr – um Erwartungen? Ist ein Advent kein Advent, wenn wir nicht jeden Sonntagnachmittag gemeinsam die Kerzen anzünden und Plätzchen essen, sondern stattdessen einem Chorkonzert lauschen, einen Tanzauftritt ansehen oder im Gottesdienst sitzen? Wo sind denn meine Gestaltungsspielräume? Und worauf kommt es denn um Himmels willen eigentlich an?
Balance halten
Wenn ein kleiner Haufen Menschen, so wie unserer, zusammenlebt und wild zusammengewürfelt aus Hochsensiblen, Gefühlsstarken und Introvertierten besteht, dann kommt es natürlich auf einen guten Ausgleich an. Hier darf Action sein, weil es allen gut tut, rauszukommen – und da braucht es dann im Gegenzug Ruhe.
Gut strukturieren
Es kommt auf Struktur an, damit alle kleinen und großen Menschen wissen, woran sie sind: Termine, die deutlich im Kalender stehen, Absprachen und Ansagen (Pro-Tipp: Teenagern immer eine frühere Abfahrtszeit nennen als eigentlich nötig). Es braucht für Einzelne vielleicht auch einfach mal die Möglichkeit, sich rauszuziehen, denn ein Rudel mit einer Alterspanne von 8 bis 43 und unterschiedlichen Ausschlägen auf den Temperamentsskalen kann nicht immer geschlossen dieselben Dinge tun.
Anker auswerfen
Es braucht Anker – feste Zeiten, an denen wir zusammenkommen und den Advent ganz unter uns sichtbar werden lassen. Das kann die eine gemeinsame Mahlzeit am Tag sein, die man sich um alle Termine herum einplant. Es können die liebgewordenen Rituale sein, die im Advent sowieso nicht fehlen dürfen (bei uns: gemeinsame Filmabende, eine Nachtwanderung und mindestens einmal Pizza-Raclette).
Gute Grenzen setzen
Und natürlich braucht es ein bisschen Mut zum Nein sagen. Manche Termine sind einfach gesetzt. Dem vorfreudig-aufgeregten Kind sagen, dass der Tanzauftritt für uns ausfällt, weil es zu viel wird, fände ich gemein. Der Kirchengemeinde sagen, dass ich mich dieses Jahr leider nicht auch noch zusätzlich engagieren kann, hingegen gerechtfertigt. Das Gleiche gilt für aller Art Anfragen, die sich genauso gut auf das restliche Jahr verteilen könnten. Die muss man nicht in den Advent knallen – und wenn doch, müssen sich die, die so etwas planen, nicht über die wenige Resonanz wundern. Vielleicht ist das ja eine der Aufgaben, die wir Intros in dieser Welt haben: die anderen Menschen zu etwas mehr Achtsamkeit in der Planung zu erziehen. Uns selbst an solchen Stellen abgrenzen zu lernen, ist auf jeden Fall ein wichtiges Lebensziel.
Planen und freuen
Ich nehme mir jetzt so oder so einen Stift zur Hand und unseren Familienkalender vor. Ich markiere mir die Zeiten, die in jeden Fall freibleiben müssen und dann stelle ich die Termine der Kinder in die Großfamiliengruppe, denn schließlich sollen Omas, Opa, Tanten und Onkels auch die Möglichkeit haben, all die schönen Sachen mitzuerleben – wenn sie wollen und der eigene Kalender es zulässt.