Eltern sein, Familie leben

Wenn die Fundamente wackeln

Still war es hier in den letzten Monaten. Mein Blog, auf dem ich früher so gern meine Gedanken zum Familienleben geteilt habe oder auch die eine oder andere persönliche Geschichte, lag brach. Fast schien es als würde er langsam, aber sicher, auf sein Ende zugehen. Vielleicht zukünftig als Archiv sein Dasein fristen, in dem du pädagogische Themen nachlesen kannst, wenn du mal auf der Suche bist. Schließlich, seien wir ehrlich, ist doch eigentlich alles gesagt. Neue Infos, die gibt es heutzutage auf Instagram und zukünftig treffen wir uns alle beim neusten heißen Scheiß – Mastodon. Wer will da schon noch Blogs?

Doch anderseits sollte gerade Mastodon, das sein Aufleben ja im Grunde nur dem Ableben von Twitter verdankt, uns zeigen, dass diese Social Media Welt schnelllebig ist. Heute mag ein Profil bei Instagram ein Garant für Follower sein, vielleicht sogar für Wachstum und immer neue Kunden. Doch wir sehen es ja gerade beim Kurznachrichtendienst mit dem Vögelchen: Es muss nur ein Milliardär mit zweifelhaftem Charakter kommen, das Ding aufkaufen und schon fliegt alles in die Luft. Jahrelang gepflegte Netzwerke lösen sich auf, generierte Reichweite schwindet, Onlinebeziehungen brechen auseinander.

Gut dran ist da die tüchtige Frau, die ihren eigenen Ort im Netz hat, das eigene Wohnzimmer, die gemütliche Stube, in der sie Gäste empfangen kann, wo Fragen diskutiert und Netzwerke geknüpft werden können.

Und deshalb wird mein Blog bleiben und ich werde ihn wieder regelmäßiger füllen. Mit Ideen rund um das Familienleben. Mit pädagogischen Artikeln, die dich bestätigen oder herausfordern, deine Gedanken in neue Richtungen lenken oder dir helfen, mit dem, was gerade ist, im Reinen zu sein. Mit Infos, die dir helfen sollen, das eine oder andere besser zu verstehen und natürlich mit meinen ganz persönlichen Mutterherzgedanken.

Ich freue mich also, wenn du hier bleibst oder dich neu hinzugesellst. Und für alle, die ein bisschen darüber lesen wollen, was bei mir in den letzten Monaten so los war, hier noch eine kleine Geschichte über wackelnde Fundamente und Stabilität. Denn nicht nur in der Netzwelt ist Einiges ins Wanken gekommen.

Der Wasserschaden

 

 

Es fing eigentlich nicht weiter dramatisch an. Der Keller ist in einer Ecke feucht, sagte der Mann, als ich mich eines Sonntagabends gerade auf den Weg zum Gottesdienst machen wollte. Schlecht gelüftet, dachte ich, und verschwand aus der Tür.

Eigentlich ist er nicht feucht, sondern klatschnass, sagte der Mann, als ich zurück war und wirkte besorgt. Ich tat, was jeder normale Mensch tun würde, und rief unseren Pfarrer an und der tat, was Pfarrer in solchen Situationen so machen – uns sofort einen Handwerker vermitteln, der sich das einmal anschauen kam.

Regenwasserfallrohr undicht, vermutete dieser. Alles halb so schlimm. Lasst mit einer Kamera reinschauen, das Leck finden, es richten und mit ein bisschen heizen und lüften ist das schnell wieder im Griff. Und sagt der Versicherung gleich morgen Bescheid.

Das taten wir. Es kam eine Gutachterin und schloss sich der Einschätzung an. Wir beruhigten uns und schliefen nachts wieder. Die Versicherung schickte eine Firma, um das Rohr anzuschauen und das Leck zu suchen. Nur fanden diese keins. Und der Keller wurde immer nasser. Aus dem einen, kleinen Fleck war eine komplette Wand geworden, aus der Wand wurden zwei Wände, dann vier, dann alle. Aus den feuchten Wänden wurde ein feuchter Boden. Es steht unterm Estrich, sagte die Firma von der Schadenssanierung. Ihr müsst den Grund finden, vorher können wir nichts machen.

Wir ließen in Abflussrohre schauen und die Versicherung schickte neue Gutachter. Eine stillgelegte Klärgrube in unserem Garten lief voll und der Lichtschacht der Nachbarn. Euer Keller ist komplett abgesoffen, urteilte der nächste Sachverständige. Ihr müsst rausfinden, warum! Fragt mal bei der Gemeinde, klärt ab, ob es einen plötzlichen Anstieg des Grundwasserspiegels gab. Und vielleicht ist eure Drainage kaputt.

Wir schliefen nachts längst nicht mehr. Grundwasser und kaputte Drainage – unser größter Albtraum schien wahr zu werden, das, was ich allein aus Selbstschutz wochenlang kategorisch ausgeschlossen hatte. Wir googelten und fragten Menschen. Wir wälzten Versicherungsunterlagen und wurden immer nervöser. Was, wenn das keiner zahlt? Können wir einen so großen Schaden selbst übernehmen? Was wird aus unserem Zuhause? Dem Heim unserer Kinder, unserem Zufluchtsort? Wie sollten wir so über den Winter kommen, mit steigenden Energiekosten, Krisenstimmung und Corona. Was wird aus uns, wenn der einzige Ort, an dem wir in diesen verrückten Zeiten Halt fanden, nun auch nicht mehr sicher war?

Uns stand das Wasser bis zum Hals. Wortwörtlich – und eines morgens dann tatsächlich auch in Form von Pfützen im Keller. Wir konnten nur noch Gummistiefel überstreifen und versuchen zu retten, was zu retten war.

Es war morgens um 7 nach einer weiteren schlaflosen Nacht als das Handy meines Mannes klingelte. Der Wassermeister unseres Ortes war dran und sagte, er würde sofort kommen. Er kam nicht allein, sondern brachte einen ganzen Haufen von Kollegen mit. Und zusammen wurden sie unsere Rettungsanker, Engel in orangen Westen. Wir verlieren Frischwasser erklärten sie uns – und sind uns sicher, das Leck ist irgendwo hier zu finden. Sie entschuldigten sich, dass sie nicht eher da waren – die Meldung unseres Wasserproblems hatte sie verzögert erreicht.

Sie riefen Tiefbauer und Bagger, drehten den Haupthahn zu und das Wasser hörte auf zu laufen. Ein anderer Mann kam mit Gasflaschen und Horchgeräten und suchte nach einem Rohrbruch. Er fand ihn auf dem Nachbargrundstück. Sie legten uns eine Notwasserleitung und erklärten uns, wie es weitergehen würde.

Aber vor allen Dingen waren sie einfach da. Sie erkannten das Ausmaß der Katastrophe, die über uns hereingebrochen war und zeigten Empathie. Sie gingen auf unsere Ängste und Sorgen ein, erzählten Witze, um die Spannung zu lösen, machten uns Hoffnung. Sie malten statt Kreuze lustige Smileys, um den Verlauf der Wasserleitung zu markieren und die Kinder aufzuheitern, die sich ihre Herbstferien wahrlich anders vorgestellt hatten. Sie trieben Arbeiten voran und schimpften mit uns zusammen über trödelige Versicherungen und zu langsame Gutachter.

Heute, einige Woche später, ist noch nicht alles gut. Unsere Wasserleitung ist weiterhin stillgelegt, das Notwasser läuft zuverlässig aus dem Außenwasserhahn des Nachbarn zu uns herüber, nur der Wasserdruck lässt manchmal zu wünschen übrig und wir müssen dem Klimawandel dankbar sein, dass es noch keinen Frost gibt. Das Leck auf dem anderen Grundstück wartet auf Reparatur, wir alle auf die Versicherung. Den Keller betrete ich nur wenn es unbedingt sein muss, und jedes Mal schreit er mir zu, dass er arge Not leidet. Ich muss mehr heizen als bei den Temperaturen draußen eigentlich nötig, um unsere Wohnräume bei dauerhaft für das Notwasser geöffneten Fenstern einigermaßen warm zu halten und vor allem, um Schimmel zu vermeiden.

Nebenbei plane ich mutig Kindergeburtstage bei uns im Haus und schummele mich ein bisschen durch meine #bewusstnovembern Aktion, weil ich heimlich schon den einen oder anderen Dominostein oder ein bisschen Lebkuchen futtere. Ich begleite gestresste Kinder durch die anstrengendste Phase des Schuljahres und schimpfe eifrig auf unser Bildungssystem. Ich schaue bange in die Ukraine, aber auch nach Schweden, Italien und die USA und hoffe, dass am Ende in dieser Welt Liebe und Mitgefühl das letzte Wort haben werden. Ich ringe mit meinem Glauben, der mich nicht verlassen hat, aber deutlich nach anderen Formen und neuen Räumen schreit und der sich nicht mehr einpassen will in Gedanken und Werte, die für mich nicht mehr passen – oder noch nie gepasst haben.

Ja, die Fundamente wackeln und vielleicht müssen sie das auch, in einer Zeit, in der viel im Umbruch ist, innerlich und äußerlich. Umso besser, dass es Orte und Menschen gibt, die mir Stabilität geben. Die Freundin, mit der ich meine Runden an der frischen Luft drehe und die, der ich die episch langen Sprachnachrichten schicke. Die, die auch nach all den Pandemiejahren noch da sind und mit denen ich zusammensitzen und reden kann. Meine Großfamilie, mit der es gerade im grauen November immer so viel zu feiern gibt. Unsere Freitagspizza und die Rituale im Jahreskreis.

Und nun auch wieder diese kleine Schreibecke, in der ich Gedanken mit dir teile! Schön, dass du hier bist!

Fotos: Inka Englisch (Link)

Über mich:

Unternehmerin, Erziehungswissenschaftlerin, Familienberaterin, Autorin, dreifache Mama und vor allem für Sie und ihre Familie da.

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