Wenn unsere Kinder im letzten Kindergartenjahr sind, stellen sich viele Fragen. Eine davon ist die, nach mehr Selbständigkeit. Natürlich kann ich in diesem Artikel keine rechtliche Beratung geben, dazu kenne ich mich zu wenig aus. Aber da viele Fragen nicht so eng geregelt sind und in unserem Ermessen liegen, möchte ich dir heute ein paar Gedanken für den Spagat zwischen Freiheit und Aufsichtspflicht mitgeben.
Nicht erzwingen, nicht verwehren
Wann dein Kind was alleine machen sollte, darauf gibt es keine pauschale Antwort. Die Entscheidung, ob es kleine Wege ohne Aufsicht erledigen kann, mit Freunden draußen Roller fahren darf oder in ein paar Wochen ohne Erwachsene zur Schule läuft, hängen von vielen Faktoren ab. Zu erst einmal ist da die Frage danach, was dein Kind will. Manche Kinder fordern früh mehr Autonomie und Bewegungsfreiheit ein. Dann ist es auch wichtig, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, wie wir diese ermöglichen können. Andere Kinder hingegen möchten das gar nicht. Sie brauchen noch bis weit in die Grundschulzeit hinein die Sicherheit, dass erwachsene Bezugspersonen sie begleiten und im Blick haben. Das ist völlig in Ordnung. Wir müssen keine Abnabelungsschritte erzwingen, zu denen unsere Kinder noch nicht bereit sind. Sie kommen von ganz allein und sind Teil einer individuellen Entwicklung, die wir nicht durch unser Handeln beschleunigen können.
Wenn unsere Kinder gern mehr Selbständigkeit und Bewegungsfreiheit hätten, können wir auf die äußeren Bedingungen schauen. Wenn wir verkehrsberuhigt und in einer gut überschaubaren Gegend wohnen, wo Wege kurz sind und das Umfeld gut bekannt, können wir natürlich mehr Freiheiten geben, als wenn wir an einer vielbefahrenen Straße wohnen und der Weg zum nächsten Spielplatz über ebendiese und noch zwei Bahnübergänge führt. Doch auch in zweitem Fall sollten wir unseren Kindern früh die Gelegenheit geben, solche Situationen zu üben, damit sie sie irgendwann allein bewältigen können.
Autonomie geht auf vielen Wegen
Wenn Autonomie ganz ohne uns aufgrund unserer Wohnsituation nicht möglich ist, können wir überlegen, was sonst gut klappen könnte. Vielleicht können wir uns beim nächsten Spielplatzbesuch in die hinterletzte Ecke verziehen und uns in ein Buch oder das Handy (jawohl ja, das ist erlaubt und voll okay) vertiefen und nicht dauernd nach dem Kind Ausschau halten, sondern es machen lassen? Vielleicht können wir Wege zum Teil mitlaufen, bis die wirklich kritischen Stellen erledigt sind und der Rest allein bewältigt werden kann? Vielleicht können im Vorschuljahr die letzten 200 Meter zum Kindergarten allein gelaufen werden? Vielleicht kann zumindest der Besuch bei anderen Kindern zwei Häuser weiter schon ohne Begleitung klappen? In jeder Konstellation gibt es Raum für ein bisschen Autonomie – es lohnt sich danach zu suchen.
Wichtig finde ich bei diesem Thema, dass die Frage danach, was ein Kind schon alleine machen kann oder darf, immer eine individuelle Entscheidung zwischen uns als Eltern und unserem Kind ist. Wir sind die Expertinnen und Experten für die kleinen Menschen, die wir ins Leben begleiten. Als solche können wir gut beurteilen, was geht und was nicht geht. Oft möchten Außenstehende bei solchen Dinge mitreden und uns wahlweise erzählen, dass wir einen Entwicklungsschritt nun zulassen müssten oder aber ihn viel zu früh umsetzen. Wir sollten uns an dieser Stelle klarmachen, dass andere dies meistens gar nicht beurteilen können. Oft bewerten sie diese Situation aus ihrem Blickwinkel und ihren eigenen Erfahrungen mit ihren Kindern oder aus ihrer eigenen Kindheit. Weder das eine, noch das andere ist mit unserer Situation vergleichbar. Kindliche Entwicklung verläuft auch hier – wie an so vielen Stellen – unterschiedlich. Wir sind weder übertrieben behütend, wenn wir etwas nicht zulassen, noch sind wir leichtsinnig, weil unsere Kinder etwas dürfen, was andere Familien ihren noch nicht zutrauen. Wir treffen verantwortliche Entscheidungen für unser Kind in seiner speziellen Situation.
Eigene Ängste hinterfragen
Doch manchmal ist es tatsächlich so, dass unser Kind zu einem Schritt bereit wäre und wir zögern. Daher ist es beim Abwägen von kindlichen Freiheiten auch immer gut, die eigene Motivation für ein Nein zu hinterfragen. Stecken da gute Gründe dahinter oder vielleicht Ängste oder eigene negative Erfahrungen? Hier ist es ganz wichtig, dass wir mit jemandem über unsere Sorgen sprechen – und sie nicht zum Maßstab für die Autonomie werden lassen, die wir unseren Kindern zugestehen.
Ist hier auch gerade Thema. Bei uns steht Autonomiebestreben des Kindes im Widerspruch zu seinem Unvermögen, sich in kritischen Momenten Hilfe zu holen, mitteilen zu können, wenn etwas ist und er kann seinen vollständigen Namen samt Adresse und Telefonnummer bei keinem anderen sagen als bei mir.
Das ist für mich gerade ein ganz heißes Thema. Denn: als wir dieses Jahr in Reha waren und er sich auf diesem großen Gelände doch recht frei bewegen konnte und durfte (weil man ihn auch kannte seitens der anderen Familien und des Personals), da hatte ich doch auch das Gefühl, dass das für ihn sehr wichtig und gut war.