Eltern sein, Familie leben

Ich träume von einer Kirche, die…

Kürzlich wurde ich gefragt, ob ich denn mal einen Artikel über das Thema Homosexualität und Glauben geschrieben hätte. Nicht wirklich, war meine Antwort. Ich habe mal ein paar Thesen zum Thema sexuelle Vielfalt im Schulunterricht geschrieben, aber das ist lange her und einiges würde ich heute anders schreiben. Auch wenn ich den Artikel noch immer mag und dazu stehe.

Ich habe noch keinen Artikel über LGBTIQ* in der Kirche geschrieben, weil ich dafür einfach nicht die Expertin bin. Weder für das eine, noch für das andere. Ich bin eine heterosexuelle, mit einem Mann verheiratete, in klassisch anmutender Rollenverteilung lebende Frau aus einem Reihenmittelhaus in der nordhessischen Provinz. Und Theologie habe ich auch nicht studiert (es sei denn, exzessives Hören des Podcasts Das Wort und das Fleisch zählt jetzt als Onlinestudium – dann wäre ich bereit für die BA-Arbeit). Was soll ich also zu dem Thema sagen? Kann ich überhaupt etwas sagen?

Ich könnte sicher nachplappern, was ich im – wie ich finde – besten Vortrag zu diesem Thema, den man im Netz finden kann, gehört habe: Ich könnte Prof. Dr. Siegfried Zimmer zitieren, bis er euch aus den Ohren rauskommt. Ich könnte auf Nadia Bolz-Weber verweisen, die in ihrem Buch Unverschämt Schamlos die christliche Sexualmoral neu auseinander nimmt. Ich könnte mich an Anders Amen, den Vlog zweier lesbischer Pfarrerinnen anlehnen. Aber all das wären nicht meine Gedanken. Meine Motivation, lesbische und schwule Glaubensgeschwister in Schutz zu nehmen und einen auf allen Ebenen gleichgestellten Platz für sie in allen christlichen Gemeinschaften zu fordern, ist eine andere und sie ähnelt meiner Motivation, für eine bedürfnisorientierte christliche Pädagogik einzutreten: Ich träume einfach von einer Kirche die einen Unterschied in dieser Welt macht. Einer, die wirklich für eine krasse, unfassbare Liebesbotschaft steht.

Ich träume von einer Kirche der Weite und der Offenheit, in der nicht Engstirnigkeit und Gesetz regiert, sondern Liebe. Ich träume von einer Kirche in der wir lieber einmal zu viel Ja sagen, als einmal zu oft nein. Ich träume davon, Teil von Gottes buntem Chaoshaufen zu sein. Ich träume von einer Kirche, in der wir nicht das vermeintlich Sündhafte im anderen suchen (und dabei nebenbei bemerkt sehr selektiv mit dem Begriff Sünde umgehen), sondern von einer, in der wir uns über jeden diebisch freuen, der endlich den Weg zu uns gefunden hat. Ich träume von einer Kirche, die sich traut, loszulassen. Glaubenssätze (klingt komisch aber ja!). Das-haben-wir-immer-so-gemacht-Gedanken. Pläne und Abläufe.

Ich träume von einer Christenheit, die aufhört, anderen Menschen auf ihrer Suche nach Jesus im Weg rumzustehen. Ich glaube nämlich, dass genau das das Hauptproblem von solchen Entscheidungen, wie der des Vatikans ist. Damit stellen Kirchenoberste sich in den Weg zwischen Menschen und Jesus. Sie kränken nicht nur die, die IHN schon kennen und die sich nach seiner Nähe und Segen sehen. Sie sorgen auch dafür, dass ihn viele andere erst gar nicht kennenlernen wollen. Sie benehmen sich als Ebenbilder Gottes auf Erden furchtbar daneben. Ist Menschen, die solche Entscheidungen treffen oder die nach wie vor in ihren Gemeinden predigen, wie sündhaft und krank Homosexualität sei eigentlich klar, was sie damit anrichten? Jenseits von den schweren Verletzungen, die sie anderen Menschen zufügen?

Neben der Enttäuschung vieler homosexueller katholischer Menschen hat mich nämlich etwas anderes dieser Tage sehr traurig gemacht: Die völlige Gleichgültigkeit, mit der viele andere LGBTIQ* diese Entscheidung gegenüber. Wenn überhaupt hatten viele nur noch Hohn und Spott für den Vatikan übrig. Das ist total nachvollziehbar und sicher auch Teil eines dicken Felles, das diesen Menschen im Laufe der Jahre wachsen musste. Und gleichzeitig ist es bitter für uns alle. Denn all das sind Menschen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nie mehr nach Gott fragen werden. Vielleicht sind sie Eltern von Kindern, die niemals in Berührung mit der Kirche kommen werden und die nie Jesus kennenlernen können.

Nun weiß ich, dass man mit solchen Gedanken vorsichtig sein sollte: Denn nicht jede:r möchte überhaupt mit Glaube in Berührung kommen und auch das akzeptiere ich. Es geht nicht um das Missionieren um jeden Preis. Ich frage mich nur, wie viele Menschen einfach deshalb nichts mehr von Gott wissen wollen, weil die irdischen Türsteher sie zu oft abgewiesen haben oder weil sie von Anfang an damit groß wurden, zu unserem Club keinen Zugang zu haben. Um diese Menschen schmerzt es mich. Ich hätte sie gern in unserer bunten Chaostruppe. Wenn ich schaue, mit wie viel Engagement und Leidenschaft sie für ihre Lebenswege kämpfen, dann bekomme ich eine Idee davon, wie sie für Jesus unterwegs sein würden. Außerdem würden sie unsere Gemeinden bereichern, Innovation bringen und mit den Staubwedeln an den richtigen Ecken putzen.

Davon ab träume ich von einer Christenheit, die bedingungslos liebt. Von einer Nachfolge, in der die Frage danach, wer du bist und wie du lebst völlig absurd erscheint, solange wir ins gemeinsame Zentrum schauen. Ich träume davon, dass die Menschen uns nicht mehr mit verstaubten Strukturen, strengen Regeln und Ideen von Vorgestern in Verbindung bringen, sondern wir die sind, bei denen sich immer alle willkommen fühlen. Ich träume von Kirchen als Orte voller Herzenswärme und gelebter Vielfalt.

Einzig eins finde ich bei alledem tröstlich. Das sichere Wissen, dass Gott auch mit den Menschen Geschichten schreibt, die vermeintlich nicht zu ihm gefunden haben und von denen manche Christ:innen glauben, das Reich Gottes stehe ihnen nicht offen.

3 Kommentare zu „Ich träume von einer Kirche, die…“

  1. Die Entscheidung des Vatikans ist keine Neue und allein von den Grundsätzen der katholischen Kirche konnte der Vatikan gar nicht anders entscheiden.
    Leider kam das in der Bevölkerung auch etwas falsch an. Die Menschen wollten den Vatikan darauf festnageln, dass er homosexuelle Paare segnet, nachdem die Ehe schon nicht akzeptiert wurde. Dies wurde kategorisch ausgeschlossen. Was nicht überraschend ist, denn geschiedene Menschen dürfen ja auch nicht mehr kirchlich heiraten.
    Allerdings darf jeder Mensch, egal welcher sexuellen Orientierung zugehörig, von einem Priester gesegnet werden.

    Das war eine flammende Rede, obwohl ich gar nicht katholisch bin. ???? Wer mit der Vorgehensweise der katholischen Kirche nicht einverstanden ist, soll doch einfach austreten. Es gibt genügend andere Alternativen. Und man sollte auch einfach akzeptieren, dass nicht alle Homosexualität akzeptieren.

    1. “Und man sollte auch einfach akzeptieren, dass nicht alle Homosexualität akzeptieren”
      So weit kommt es noch, liebe Anne! Ganz sicher werde ich nicht damit aufhören, Gottes Liebe und seinen Segen in die Welt zu tragen und zwar gerade dahin, wo man ihn so lange entzogen hat und sich somit im Laufe der vergangenen Jahrhunderte zum Handlanger schlimmster Verbrechen gegen diese Menschen gemacht hat. Ganz sicher werde ich nicht aufhören, für die Menschen einzustehen, denen anderen Menschen (und nicht Gott) die Tür zuhauen wollen. Wenn das schwierig für dich ist, zwingt dich keine:r hier mitzulesen.

      1. Darum ging es mir nicht. Ich wollte eine Lanze brechen für unsere Mitchristen, die Katholiken. Wir sind alle eins unter Gott, egal welche biblische Auslegung wir für diverse Dinge als richtig erachten. Ich lernte in den letzten Jahren wirklich gläubige Katholiken kennen, die mit Feuereifer Jesus nachfolgen. Die waren mir zum Teil lieber als die oft so seichten Evangelikalen oder Protestanten, die vor lauter Regelwerken die Freude am Leben verloren hatten (subjektive Erfahrungen).

        Aber ok, ich hatte fast schon mit so einer Antwort gerechnet. Schöne Zeit dir und liebe auch die, die es anders sehen als du.

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Fotos: Inka Englisch (Link)

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