Noch sind wir mitten im Lockdown und zumindest in Hessen haben wir noch mindestens eine weitere Wochen Distanzunterricht (oder wie es bei uns so schön heißt – ausgesetzten Präsenzunterricht) vor uns. Derzeit überschlagen sich die Vermutungen darüber, ob und wann unsere Kinder mal wieder pädagogische Einrichtungen von innen sehen können. Die Situation ist unübersichtlich und völlig unberechenbar, besonders nachdem nun auch verschiedene Mutationen bei uns angekommen sind.
Die Kultusminister*innen würden gern so schnell wie möglich wieder auf offene Schulen setzen oder besser gesagt auf vollen Präsenzunterricht, denn offen sind Schulen und Kitas in Hessen sowieso die ganze Zeit schon. Virolog*innen und auch die Bundesregierung sehen das anders. Für uns Eltern, aber auch für Lehrkräfte und vor allem die Kinder bleibt es eine ewige Hängepartie. Unbefriedigend und kräftezehrend.
Baden-Württemberg wollte letzte Woche eigentlich gern den Versuch starten, die Grundschulen und Kitas wieder zu öffnen, doch B 1.1.7. machte ihnen vorerst einen Strich durch die Rechnung. Neuer Versuch geplant. Fragt sich nur wann. Doch Schulen und Kitas – oder besser Kinder und ihre Erzieher*innen, Lehrkräfte und Eltern sind keine Versuchskaninchen. Wir sind keine Laborratten, an denen man mal eben testen kann, ob die Mutante nun wirklich gefährlich ist. Wir gehören zu den Gruppen, die in dieser Pandemie schon richtig viel geschultert haben und die endlich Klarheit brauchen.
Sehen wir den Dingen ins Auge. Es gibt keine Garantie für sichere Schulen oder Kitas. Seit die neuen Formen des Virus um sich greifen, weniger denn je. Nach allem, was wir hinter uns haben, können wir uns auch nicht leisten, das mit den Schulen einfach mal auszuprobieren. Denn ein neuerlicher Fehlversuch wäre in vielerlei Hinsicht katastrophal. Da ist zum einen die unnötige Gefährdung von Gesundheit und Menschenleben. Sie ist nicht hinnehmbar. Doch da sind auch die gebeutelten Seelen unserer Kinder. Glaubt tatsächlich irgendwer, wir tun ihnen mit diesem Hin und Her einen Gefallen?
Glaubt jemand allen ernstes, dass das letzte Jahr für sie ein leichtes war? Erst waren sie monatelang allein. Ob sie Schulstoff lernten oder nicht, kam dem Glücksrad gleich – oder seien wir ehrlich – entschied sich anhand der Privilegien, die sie mit ins Leben bekommen haben. Dann durften sie nach und nach zurückkommen. Unter mancherorts strengen Auflagen. Schulalltag wurde auf einmal auf das Vermitteln des Stoffes reduziert. Kein Abhängen mit Freunden. Keine Schulmensa. Keine Pausen in der Bücherei oder der Spielothek. Abstand halten. Und das, was ihnen blieb, war brüchig und konnte jederzeit von neuen Quarantäneanordnungen unterbrochen werden. Ich kenne Familien, die waren mehr zu Hause, als anderswo in den Monaten zwischen Sommer und Dezember. Mitte Dezember war dann wieder Schluss. Nur kurz hieß es – und dann wurde es doch wieder viel länger. Hoffnungen wurden geschürt – und zerschlugen sich. Enttäuschung wurden zum Alltagsbegleiter.
Dieser Zustand ist schon für uns Erwachsene kaum mehr erträglich. Für unsere Kinder und Jugendlichen ist er unaushaltbar. Sie brauchen keine Feldversuche – sie brauchen Klarheit. Sie brauchen Konzepte, die sie durch die Pandemie tragen. Sichere Schulen – also welche, die auf mehr als das Lüften und den lieben Gott setzen. Verlässlichen Distanzunterricht – und wo möglich Treffen in festen Kleinstgruppen. Sie brauchen Fahrpläne, die länger als zwei Wochen gültig sind, damit sie zur Ruhe kommen können – und sei es weiterhin im Lockdown. Und sie brauchen noch was: Politiker*innen, die klare, mutige und nötige Entscheidungen treffen und Erwachsene, die sich verdammt noch eins daran halten. Sie brauchen uns, die wir die Pobacken zusammenkneifen und alles runterfahren. Für unsere Kinder – damit wir auf einen Weg kommen, der ihnen endlich wieder längere Phasen von Normalität ermöglichen.
Macht endlich eueren Job verdammt noch eins!
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