Kaum ist die beste Freundin der Mittleren aus der Haustür verschwunden, steht der Kumpel des Großen an der Terrassentür. Mittendrin die Nachbarjungs, die gehören schon zum Inventar und nicht zu vergessen die Kleine von zwei Häuser weiter, die meistens noch eine Horde weiterer Mädels im Schlepptau hat.
All diese Kinder füllen mein Haus mehrmals die Woche mit Lachen, Sand und Fettflecken. Sie bereichern meine Tage mit ihren Geschichten, ihren Witzen und damit, dass sie einfach nur wunderbar herrliche kleine Menschen sind. Sie verputzen meine Muffins oder backen gleich ihre eigenen in unserer Küche, sie singen und tanzen zu ihrer Musik und verwüsten mindestens drei Zimmer in unserem Haus. Und ich liebe das! Zumindest meistens.
Nur manchmal wünschte ich mir, es wäre ein klein wenig leiser bei uns und es würde keine Horde Kinder an mir vorbeitrampeln, wenn ich doch einfach nur mal auf der Couch sitzen will. Manchmal würde ich gern etwas weniger reden oder vielleicht einfach nur mal mit meinen Kindern allein sein. Ab und an habe ich das Gefühl, dass ich gern ein bisschen mehr Zone in meinem Komfort hätte und zwar eine Zone für mich allein.
Wenn wir mit unseren Kindern leben, stellt sich früher oder später auch die Frage, welchen Raum ihre Freundschaften in unserem Familiengefüge einnehmen. Für uns stand von Anfang an fest, dass sie hier bei uns Zuhause gelebt werden dürfen. Manche Freunde, die unsere Kinder sich im Laufe der letzten elf Jahre gesucht haben, sehe ich sogar lieber bei uns, als dass ich meine Kinder dort sehe, denn natürlich teilen nicht alle Familien meine Werte im Umgang mit Kindern, Medien und anderen wichtigen Fragen. Ich möchte offen sein – und meine Tür ist es meistens auch.
Doch manchmal – da überfordert mich diese Offenheit etwas. Denn kleine Menschen, gerade wenn sie in Massen durch mein Haus ziehen, bringen ja auch ihre Dinge mit. Nicht nur ihren Sand in den Schuhen und ihre Fettfinger, sondern auch ihre ganz anderen Rucksäcke. Die sind, wie ich schon erzählt habe, voller schöner und inspirierender Momente. Und manchmal auch voller neuer Wörter, von denen mir manche ziemlich gegen den Strich gehen. Manche zeigen meinen Kindern auf ihren Geräten Dinge, die bei uns gar nicht erlaubt sind oder sind ganz andere Regeln und Strukturen gewohnt. Manchmal kann ich das gut klären – und ein anderes Mal entstehen Reaktionen, die ich nicht so gut finde.
Als es anfing, dass meine Kinder unsere Türen weit für ihre Freunde öffneten, dachte ich, ich müssen in solchen Situationen trotzdem lächeln und darüber hinwegsehen. Schließlich sollen sich andere Kinder bei uns wohlfühlen. Mittlerweile sehe ich es etwas anders. Ich liebe unser volles Haus – und ich möchte es auch in Zukunft lieben können – mit all den Menschen drin, die das Leben hier so anspült. Doch das geht nur, wenn ich dafür sorge, dass ich mich in meinem Zuhause weiterhin gut fühle. Und deshalb gilt hier – mein Haus, meine Regeln. Natürlich nicht in dogmatischer Engstirnigkeit und auch nicht, wenn es mal um einen einzelnen Nachmittag geht. Doch gerade bei meinen Lieblingskindern, die hier ständig ein- und ausgehen, nehme ich mir mittlerweile die Freiheit zu sagen, wenn etwas nicht passt. Ich zeige mich ihnen als Mensch, so wie ich mich meinen Kindern zeige. Mit meinen persönlichen Grenzen, meinen Schwächen, den Dingen, die ich gut aushalten kann und denen, die ich weniger gut ertragen kann.
Natürlich bleibt dies eine Gratwanderung – denn ich möchte ja, dass sich die Freunde meiner Kinder bei uns wohlfühlen und das meine Kinder sie gern zu sich nach Hause mitbringen. Deshalb finde ich es wichtig, niemanden mit harscher Kritik und Abwertungen zu überschütten. Ein “du bist mir immer viel zu laut” bringt niemanden weiter. Ein “mir ist das alles gerade zu viel, bitte spielt leiser” schon. Letztlich geht es auch hier darum, den kleinen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, die einem da ins Haus geflattert sind und ihnen nicht gleich Böses zu unterstellen, wenn sie sich nicht so verhalten, wie wir uns das vorstellen. Und gleichzeitig dürfen wir uns selbst dabei wirklich ernst nehmen, so wie wir es in anderen Beziehungen auch tun. Denn nur dann kann ein volles Haus wirklich zur Bereicherung werden.
Und ab und zu – auch das musste ich im Laufe der Jahre mühsam lernen – lasse ich die Tür mittlerweile zu. Meistens kündige ich das meinen Kinder vorher an. Sie wissen dann, dass an diesem Tag keine Verabredung bei uns stattfinden kann und das spontan reinschneiende Besuchskinder wieder gehen müssen. Es fiel mir anfangs schwer, solche Tage nicht nur bewusst einzuplanen, sondern auch durchzuziehen, aber ich habe gelernt, dass ich sie brauche. Ich brauche Rückzug, Ruhe und Gemütlichkeit in meinen vier Wänden, um aufzutanken und dann wieder wirklich offen sein zu können. Ich finde gerade, wenn man ein gastfreundliches Haus sein möchte, muss man sich selbst und sein Ruhebedürfnis ernst nehmen.
An allen anderen Tagen gilt hier – je voller, je doller. Willkommen im Chaos – ich liebe mein volles, lautes, unordentliches Haus.