Heute ist Karfreitag. Und am Sonntag feiern wir Ostern im Lockdown. Hätte mir jemand gesagt, dass ich mal einen Blogbeitrag mit so einem Satz beginne – ach was hätte ich gelacht.
Und doch ist es so. Ich frage mich, ob das Gefühl der Unwirklichkeit jemals vergehen wird. Unser Fokus lag diese Woche auf der Frage, wie wir Nähe und Auferstehungsfreude aus der Ferne schenken können. Und so wurden Päckchen gepackt und Übergaben vereinbart. Wir haben die Möglichkeit für einen Social Distancing Kaffee mit den Großeltern diskutiert und aufgrund der Wettervorhersage wieder in Zweifel gezogen. Wir haben gebacken und gebastelt, Zeilen geschrieben, den gebeutelten örtlichen Einzelhandel ein bisschen unterstützt (denn bei vielen kann man auch jetzt Dinge bestellen) und Eier gefärbt.
Gestern habe ich zum Färben eine alte Familienmethode wiederentdeckt. Die Mutter meines Onkels – mit mir nicht Blutsverwandt und doch meine Tante Mariechen – hat sie mir einst gezeigt, als ich noch ein Kind war. Dazu braucht es Zwiebelschalen, schöne Blätter und Blüten, eine alte Nylonstrumpfhose und ein bisschen Geschick und Geduld. Man nimmt rohe Eier und legt eine Blüte oder ein Blättchen darauf. Dann schneidet man ein Stück von einer Strumpfhose ab und wickelt es um das Ei, sodass die Blüte (oder das Blatt) gut fixiert sind. Am Ende bindet man das Strumpfteil noch mit einem dünnen Garn zu. Das macht man bei jedem Ei. Derweil kocht man Zwiebelschalen in einem großen Topf mit Wasser und Essig solange, bis ein rotbrauner Sud entstanden ist. Diesen lässt man ein bisschen auskühlen und legt die Eier dann vorsichtig hinein und lässt sie circa 12 Minuten kochen. Nach dem Kochen wird der Strumpf mit dem Blütenblatt entfernt und ihr habt schöne rotbraune Eier mit den Abdrücken der gewählten Blätter.
Es ist viel Arbeit, die Eier auf diese Art zu färben – und doch musste es dieses Jahr sein. Tante Mariechens Färbemethode schafft innere Verbundenheit in Zeiten, in denen alles irgendwie getrennt voneinander abläuft. Es verbindet mich mit meiner Familie, meiner Herkunft und mit Menschen, die mich geprägt haben und die schon lange nicht mehr da sind. Das Schauen auf Traditionen gibt mir Halt in einer Welt, die gerade gewaltig wackelt. Das Schauen auf meine Vorfahren gibt mir Stärke und Hoffnung – weil ich weiß, dass auch ihre Welt einst gewackelt hat und sich dennoch weiterdrehte. Tante Mariechen lebt schon lange nicht mehr. Neben ihren Eiern vermisse ich ihre Zuneigung, die sie einfach so verschenkte und ihre Lebensklugheit. Sicher hätte so manches, was sie wusste und konnte uns in dieser irren Zeit geholfen.
Über verschenkte Osterfreude habe ich nicht nur mit meinen Liebsten nachgedacht, sie ist auch Thema in meiner neuen Podcastfolge, die seit gestern online ist. Hört doch mal rein, ich spreche mit Pfarrer Andres Synofzik über Glaube im Ausnahmezustand.
Auf dem YouTube Kanal gab es diese Woche auch ein neues Video und diesmal geht es um Wut – ein Gefühl, dass wir alle kennen und das sehr nützlich ist. Zumindest, wenn man weiß, wie man gut damit umgehen kann.
Mein Blog und meine Familienberatung gehen jetzt ein paar Tage in die Osterpause. Mitte nächster Woche könnt ihr wieder von mir hören und lesen.
Bis dahin – bleibt in Verbindung mit euch und euren Lieben. Bleibt auf Distanz wo es nötig ist und lasst euch die Osterfreude schenken. Ich wünsche euch eine gesegnete Zeit!