Kann mir jemand sagen, wer auf den Begriff Coronaferien gekommen ist? Schätzungsweise jemand ohne Kinder. Jedenfalls fühlt sich das, was wir hier machen, nach allem an. Nur nicht nach Ferien.
Ihr kennt mich vielleicht und wisst, dass ich eine große Freundin von Schulferien bin. Im Netz findet man gleich mehrere Artikel von mir, in denen ich über die Wichtigkeit der Sommerferien geschrieben habe. Auch hier auf dem Blog gebe ich der unverplanten Zeit im Sommer und ihren Chancen immer wieder Raum. Doch diese Zeit, die wir hier erleben, ist eine ganz andere. Mein Corona-Tagebuch liest sich nicht wie ein genussvoller Ferienbericht. Es ist viel mehr die Erzählung von fünf Menschen, die gemeinsam versuchen, durchzuhalten.
Alles – nur keine Ferien
Was kann man schon gegen verlängerte Osterferien haben, fragten mich einige, als vor fast drei Wochen nach und nach klar wurde, dass die Schulen wohl schließen werden. Gegen verlängerte Osterferien hätte ich persönlich überhaupt nichts gehabt. Wenngleich ich durchaus verstehe, warum diese Vorstellung, von heute auf morgen ohne Backup all seine Kinder daheim zu haben, für andere beängstigend war. Mein Problem liegt allerdings eher darin, dass wir eben keine Verlängerung der Ferien bekommen haben. Vielmehr wurde die Schule kurzerhand in mein Wohnzimmer verlegt. Unsere Lehrer, die man zuvor jahrelang völlig allein gelassen hat, wenn es um digitalen Fortschritt ging, sollten sich auf einmal innerhalb von zwei Tagen überlegen, wie sie die Kinder von zu Hause aus beschulen. Und wir Eltern, die wir seit Jahren im Stich gelassen werden, wenn es um den flächendeckenden Ausbau von schnellem Internet geht, wir mussten unseren Teil dazu beitragen.
Die neuen Stundenpläne
Und so haben wir so ziemlich alle vor zweieinhalb Wochen angefangen, uns eigene Pläne zu stricken. Lernzeiten auf Homeoffice abzustimmen, Pausen einzuplanen und nach Möglichkeiten der Bewegung zu suchen. Auch wir. Unser Alltag sieht im Moment so aus, dass wir vormittags Schule Zuhause machen. Die Schulkinder sitzen entweder bei mir oder in ihren Zimmern und arbeiten ihre Pläne ab. Das klappt mal besser und mal schlechter. Ich bin dann meistens irgendwas zwischen Dompteur, Motivator, Aushilfslehrerin, Trösterin und mehrmals täglich meine eigene Atemtherapeutin. Denn auch wenn ich nicht den Anspruch habe, dass sie das alles schaffen und zur vollsten Zufriedenheit aller erledigen, sondern hier für Loslassen plädiere, bleibt es eine Mammutaufgabe. Ich habe mich nie weniger nach Ferien gefühlt. Was würde ich darum geben, morgens spontan entscheiden zu dürfen, ob wir in der Losse planschen, im Garten bleiben, Fensterbilder basteln oder uns einfach den ganzen Tag im Schlafanzug und mit Büchern bewaffnet auf dem Sofa fläzen?
Stattdessen bin ich, neben den oben genannten Aufgaben, auch noch Kindergärtnerin. Denn da ist ja noch das kleine Mädchen. Dieses hatte genau zwei Tage lang Spaß daran, malend und bastelnd den ganzen Vormittag neben den großen Geschwistern zu sitzen. Und seither schlägt ihr die Lage ganz arg aufs Gemüt. Sich liebevoll einfühlen, während um einen herum der Wahnsinn tobt, die Welt eine Art Mini-Apokalypse vollzieht und man nebenbei Vokabeln abfragen muss – das ist wohl der große Boss-Fight der Bedürfnisorientierung. Meine tägliche Aufgabe besteht derzeit darin, nicht Game Over zu gehen. Meine Items: Knete, Bücher, Barbie spielen (obwohl ich Barbie spielen hasse), der Garten und tollabea. Ja tatsächlich, denn Bea nimmt mir fast täglich für circa eine halbe Stunde das Kindergartenkind ab und malt mit ihr oder liest ein Buch vor. Und bevor jetzt jemand schreit – uns trennen dabei hunderte von Kilometern und sie tut das auch gern für dein Kind. Folgt ihr in den sozialen Netzwerken und seht es selbst.
Am Ende der Lernzeit darf das Sandwichmädchen dann 20 Minuten lesen, denn auch das steht auf ihrem Wochenplan – und wird zum Glück gern auch mal überzogen. Der Große Junge trompetet derweil den Soundtrack für die Vorbereitung des Mittagessens. Das besteht bei uns meistens daraus, dass ich irgendwelche Reste irgendwie fantasielos und genervt zusammenklatsche. Mittagssnacks waren irgendwie schöner, als man sie noch mal eben auf dem Weg zur Kita frisch besorgen konnte. Den Nachmittag rettet uns in der Regel das Wetter. Oft übernimmt hier auch mein Mann und während er und die Kids mit Holz werkeln, Sport machen oder in Geschichten eintauchen, verziehe ich mich nach oben an meinen Schreibtisch bis zum Abendessen.
Neue Routinen und Pausen
Wir haben neue Routinen gefunden und sie funktionieren. Wenn auch nicht ohne Sand im Getriebe. Ich schrieb weiter oben, dass wir fünf Menschen sind, die versuchen, durchzuhalten. Unser Tagesablauf gibt uns dabei den nötigen Halt. Und wir schmücken ihn gern aus und bauen Eckpfeiler für die Seele hinein. Unsere kleine Pause am Vormittag, die wir immer mit Kakao und Obst auf der Bank im sonnigen Vorgarten verbringen, ist einer davon. Natürlich gibt es auch in Zeiten von Corona unsere Teerunde. Jeden Tag – und das sogar meistens zu fünft. Wir essen gemeinsam Abend und lassen den Tag in Ruhe ausklingen – mit Büchern und Kuschelzeit – und jeder bekommt die Begleitung, die er braucht. Gerade jetzt!
Wir haben auch Raum und Pausen für uns Erwachsene eingebaut (und ja – unter anderem durch großzügige Medienzeit!)- denn ohne die wären wir dem Endgegner Coronaferien (wer hat sich diesen Namen nur ausgedacht???) schon längst erlegen. Es fühlt sich nach allem an, nur nicht nach Ferien. Zugegeben – manchmal gibt es die kleinen Momente. Wenn wir mit einem Kaffee in der Sonne sitzen, die Kinder sich begeistert irgendeinem Projekt zuwenden und die Luft so toll nach Frühling riecht. Dann atmen wir ein und lächeln. Doch wir dürfen nicht zu genau hinschauen. Sonst sehen wir sie: die Sorgenfalten um die Augen, die Erschöpfung, die Angst, die quälende Ungewissheit. Es fühlt sich nach allem an – nur nicht nach Ferien.
Sehr gut geschrieben. Ich hatte fast das Gefühl die sechste Person in deinem Haushalt zu sein. Meine Kinder sind fast alle erwachsen, der Jüngste managt sein Homeschooling selbst. Da habe ich es etwas leichter. Aber auch unser Tag hat Struktur. Allen voran mein eigener Tag, den ich – bis auf die Mahlzeiten – alleine mit dem Hund verbringe. Ich wünsche dir Gottes Segen für diese Corona Ferien (ja wirklich, ein komischer Name für diese Situation !)