Eltern sein, Familie leben

Wenn Eltern ohne Kinder verreisen.

Kürzlich fragte eine Twitter Nutzerin, ob es egoistisch sei, wenn Eltern ohne Kinder verreisen. Daraus entspann sich eine emotionale Diskussion. Einige Userinnen waren der Meinung, dass das gar nicht ginge. Andere waren da lockerer.

Oft ging es aber eher um Detailfragen. So wurde diskutiert, ob es nur für größere Kinder in Ordnung sei oder vielleicht auch für Kleininder oder gar Babys. Genauso stand zur Diskussion, ob es eine Frage der Zeitspanne ist, die die Eltern allein verbringen oder ob es nur okay ist, wenn es trotzdem noch Ferien mit den Kindern gibt. Die Meinungen gingen hier – wie immer – sehr weit auseinander. Die für mich interessante Frage, die sich daraus entspann ist jedoch eine ganz andere: Wie viel Priorität darf, soll oder muss man der Paarbeziehung im Alltag mit Kindern eigentlich geben?

Ohne Kinder verreisen – eine individuelle Entscheidung

Wenn ich mich in meinem Freundes- und Bekanntenkreis so umsehe, geht es hier wahrscheinlich ähnlich bunt gemischt zu, wie unter den Twitterern, die das Thema diskutierten. Während manche schon mit der Stirn runzeln, wenn ich von unserem geplanten Wochenende zu zweit erzähle, schippern andere Paare auch schon einmal zehn Tage zu zweit übers Mittelmeer. Ich habe Paare im Bekanntenkreis, die seit zwölf Jahren nicht mal mehr zu zweit im Kino waren und solche, die zwei Mal pro Woche abends ohne Kinder ausgehen. Ich vermag gar nicht zu sagen, ob die einen dadurch zwingend glücklicher sind, als die anderen. Ich erlebe beide Paarbeziehungen recht stabil.

Ich glaube, was Paare brauchen, um mehr als die gemeinsamen Eltern ihrer Kinder zu bleiben, ist sehr individuell. Manche haben gar nicht die Strukturen, die längere gemeinsame Zeit ohne Kinder zulassen. Solche Paare müssen für sich von Anfang an andere Räume schaffen, um sich wichtig zu nehmen. Da ist es dann eben das Glas Wein auf dem Sofa am Abend, die gemeinsam geschaute Serie oder das Ritual, sonntags allein zu Abend zu essen, wenn die Kinder im Bett sind. Anderen reicht das nicht. Sie brauchen das sichere Gefühl, die Verantwortung für ein paar Stunden komplett abgeben zu können, um aus ihrer Elternrolle aussteigen zu können und ganz beim Partner zu sein.

Paarzeit ist niemals egoistisch

Was mich an der Frage irritiert ist die Diskussion darüber, ob es egoistisch sei, sich als Paar eine Auszeit ohne Kinder zu nehmen. Ich gehe davon aus, dass Eltern sich sehr genau überlegen, was sie brauchen, um gut miteinander klarzukommen. Ich denke, jedes Paar, das eine Familie gegründet hat, sehnt sich irgendwann nach den Schmetterlingen im Bauch oder zumindest nach der wohlige Vertrautheit, die sich zwischen zwei Menschen einstellt, wenn sie nur sich selbst haben. Endlich einmal wieder vom Partner gesehen zu werden – und zwar nicht nur flüchtig, zwischen Hausaufgaben und Windel wechseln, tut jedem von uns unglaublich gut. Denn irgendwann war es ja eben mal genau so. Es gab eine Zeit, da waren wir einander Fixstern im Leben. Da war das Gesicht des anderen das, in dem man sich verlieren konnte. Wir führten intensive Gespräche und waren es nicht gewohnt, unterbrochen zu werden. Wir konnten uns nah sein, jederzeit. Kinderhaben kommt an diesen Stellen als großer Bruch in die bisherige Zweisamkeit. Die Verliebtheit in das neue Wesen und ein leckerer Hormoncocktail (der sich übrigens nachgewiesen nicht nur bei Elternteilen einstellt, die geboren haben), sorgen dafür, dass wir das erst einmal ganz gut ertragen können. Doch all das trägt uns nicht durch die nächsten zwanzig Jahre. Irgendwann kommt der Punkt, an dem wir uns die Exklusivität der Paarbeziehung zurückwünschen. In welchem Rahmen auch immer.

Sich diesen Rahmen zu schaffen, ist eine sehr gesunde Entscheidung und keinesfalls egoisitisch. Im Gegenteil – alle in der Familie profitieren davon, dass die Paarbeziehung, die die Grundlage des Zuhauses bildet, glücklich bleibt. Für Kinder sind Eltern, die sich lieben, eine sichere Basis, auf der sie ihre eigenen Beziehungen aufbauen und die viel zum Gefühl der heimischen Nestwärme beitragen. Für die Partner selbst ist es gut, von einem erwachsenen Menschen gesehen, angenommen und toll gefunden zu werden. In der Paarbeziehung liegt so viel, was unsere Kinder uns niemals geben können (und umgekehrt übrigens auch). Und letztlich dürfen wir ja nicht vergessen, dass wir diese kleinen Menschen irgendwann einmal ins Leben loslassen wollen – und es dann der Partner ist, der an unserer Seite bleibt.

Unterschiedliche Arten der Liebe

Ich bin kein Freund des christlichen Dogmas: Erst der Partner, dann das Kind. Genauso wenig wie ich es in Ordnung finde, Kindern zu sagen, dass man den Partner mehr liebt, als sie. Auch das ist in christlichen Kreisen leider verbreitet. Tatsächlich werden hier jedoch Äpfel mit Birnen verglichen. Die Liebe zu den eigenen Kindern ist eine völlig andere Form der Liebe, die für sich und unabhängig verläuft und weder in Konkurrenz zur Liebe zwischen Paaren steht, noch damit verglichen werden kann. Mit solchen Aussagen erreicht man nichts außer einen massiven Eingriff in das kindliche Selbstwertgefühl. Doch wovon ich ein riesiger Fan bin: Sich als Liebespaar ernst nehmen und das auch klar zu zeigen. Unsere Kinder dürfen sehen, dass wir uns wichtig nehmen. Sie dürfen wissen, dass wir Zweisamkeit wollen und brauchen und dass die Paarbeziehung eine Zweierkonstellation innerhalb der Familie darstellt, die ihren eigenen Raum hat.

Wer also aus der Frage nach dem richtigen Maß an Zweisamkeit eine Diskussion über Egoismus macht, übersieht die Bedürfnisse erwachsener Menschen, sich einfach zu lieben. Die Sehnsucht von Partner nach einander wird hier entweder nicht gesehen oder es wird für sich festgelegt, wie stark sie sein darf. Wenn man es also in Ordnung findet, Kinder im Grundschulalter ein bis zwei Nächte bei den Großeltern zu lassen, nicht aber, Kleinkinder für eine Woche abzugeben, legt man seine Beziehungsstandards auch auf andere an. Schöner finde ich es, neugierig zu bleiben und zu fragen, warum das Paar das braucht. In der unvoreingenommenen Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen anderer kann man manchmal sogar was über die eigenen lernen.

Fotos: Inka Englisch (Link)

Über mich:

Unternehmerin, Erziehungswissenschaftlerin, Familienberaterin, Autorin, dreifache Mama und vor allem für Sie und ihre Familie da.

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