Dicke Tränen tropfen auf das Blatt und hinterlassen kleine Wasserflecken zwischen Rechenaufgaben. So ist es fast jeden Tag, flüstert meine Freundin. Ich sehe ihr an, dass sie am liebsten mitweinen möchte. Ärger mit den Hausaufgaben zu haben, ist für viele Familien eine alltägliche Belastung.
Dieses Thema begegnet mir regelmäßig, sowohl in meinen Beratungen, als auch im Alltag als Mutter von zwei schulpflichtigen Kindern. Hausaufgaben sind doch sowieso sinnlos, oder, fragt meine verzweifelte Freundin. Ich bin geneigt, laut zuzustimmen, doch das wäre zu kurz gegriffen.
Der Sinn der Hausaufgaben hängt vom Konzept ab
Die Frage nach Sinn und Unsinn von Hausaufgaben ist komplexer, als viele meinen. Im Grunde geht es bei Aufgaben, die von Schülern selbständig am Nachmittag zu erledigen sind, darum, gelernten Stoff zu festigen. Die Kinder sollen ausprobieren, ob sie das, was sie in der Schule unter Begleitung der Lehrer gelernt haben, auch allein umsetzen können. In einem Schulbetrieb, in dem Unterricht nur halbe Tage, also zum Beispiel bis zum Mittag stattfindet, ergänzt eine kurze Übungsphase am Nachmittag das dort Gelernte. Gebundene Ganztagsschulen verzichten, zumeist auf Hausaufgaben. Sie bauen das selbständige Festigen des Gelernten in den Schultag ein. Solange also ein Grundschulkind nur bis mittags in die Schule geht, ist eine kurze Wiederholung des Stoffs am Nachmittag durchaus sinnvoll. Allerdings nur dann, wenn es tatsächlich bei einer kurzen Wiederholung bleibt und es sich nicht um das Nacharbeiten von Schulstoff handelt. Grundschüler sollten täglich nicht länger als 30 Minuten für die Schule arbeiten müssen. Darin enthalten sollte auch schon die Vorbereitung für Klassenarbeiten sein. Alles darüber hinaus läuft dem Sinn – den Stoff zu festigen – entgegen.
Hausaufgabenzeit begrenzen
Doch warum tun sich Kinder häufig so schwer, ihre Hausaufgaben zu erledigen? Die Erklärungen dafür sind vielfältig. Beim Sohn meiner Freundin ist es die typische Angst vor dem großen Berg. Die Arbeitsblätter, die er aufbekommt, sehen auf den ersten Blick so aus, als würden sie ihn lange am Schreibtisch halten. Oft wirken seine Aufgaben für ihn so, als könne er sie gar nicht bearbeiten. Eine solche Angst kann sich entwickelt haben, weil das Kind wirklich die Erfahrung gemacht hat, sehr lange an etwas zu sitzen. Dann ist es gut, wenn wir ihm als Erwachsene ein Gefühl für Zeit geben. Ein Wecker, der auf dreißig Minuten eingestellt ist, kann helfen oder eine Uhr, die mit Klebepunkten markiert, wann die Hausaufgabenzeit vorbei ist. So können die Kinder lernen, dass sie eben nicht viele Stunden am Schreibtisch verbringen müssen, sondern ihre Zeit absehbar ist. Wenn es wirklich mal so sein sollte, dass das Kind in der vorgeschriebenen Zeit noch nicht fertig gearbeitet hat, können Eltern ruhig einen Zettel ins Heft kleben und darauf hinweisen, dass das Kind an diesem Tag nicht mehr geschafft hat. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Lehrer sehr wohlwollend auf solche Rückmeldungen reagieren.
Feste Strukturen schaffen
Manchmal liegt das Problem aber nicht nur in der Angst vor der Menge der Hausaufgaben, sondern auch im Übergang von einer Tagesphase in die nächste. Viele Kinder, gerade im Grundschulalter, müssen hier von uns Erwachsenen begleitet werden. Ein fester Tagesablauf, in dem die Hausaufgaben ihren Platz haben, kann hier helfen. Wann dieser Platz ist, ist von Kind zu Kind verschieden. Manche brauchen nach der Schule erstmal eine Auszeit und können im Laufe des Nachmittags besser arbeiten. Andere Kinder wollen ihre Hausaufgaben gern schnell erledigen und können auch kurz nach der Schule schon wieder gut arbeiten. Oft hilft es Kindern auch, an den Aufgaben dran zu bleiben und die Motivation nicht zu verlieren, wenn sie wissen, was sie danach erwartet. Bei uns zu Hause war das Zeitfenster für die Hausaufgaben einige Jahre immer vor unserer Teerunde am Nachmittag. Während die Kinder arbeiteten, habe ich oft schon Tee oder Kakao gekocht, Obst geschnitten oder Waffeln gebacken, sodass die Kinder einen Ausblick auf das hatten, was nach der Hausaufgabenzeit kommt.
Ein ruhiger Lernort
Auch der Lernort spielt hier natürlich eine Rolle. Nicht jedes Kind macht gern allein in seinem Zimmer Hausaufgaben. Manche haben lieber Erwachsene in unmittelbarer Nähe. Wenn mehrere Kinder im Haus sind, ist das oft aber gar nicht so einfach. Besonders kleinere Geschwister können die Konzentration der Schulkinder stören. Hier ist es sinnvoll, sich zu überlegen, was diese brauchen, um sich während der Hausaufgabenzeit eher ruhig zu beschäftigen. In manchen Familien gelingt es, den Mittagsschlaf von Geschwisterkindern so zu legen, dass die Großen in dieser Zeit arbeiten. Andere Kinder freuen sich, wenn sie ebenfalls “Hausaufgaben” machen können. Sie sitzen dann malend oder bastelnd daneben. Eine weitere Möglichkeit wäre, dass das kleinere Kind sich inzwischen in einem anderen Zimmer mit einem Hörspiel oder anderen Medien beschäftigen darf.
Manchmal liegt das Problem in der Schule
Doch es gibt Familien, in denen lässt sich der Ärger mit den Hausaufgaben nicht so einfach lösen. Trotz optimaler Bedingungen bleiben sie weiterhin eine Belastungsprobe. Wenn das der Fall ist, ist es wichtig, die Situation genauer anzusehen. Wenn Kinder beispielsweise immer wieder Schwierigkeiten haben, das in der Schule Gelernte zu Hause anzuwenden, muss es einen Grund dafür geben. Als Eltern kann es in solch einer Situation gut sein herauszufinden, ob das anderen Klassenkameraden genauso geht. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass Stoff in der Schule zu wenig gefestigt wird. Vielleicht tut sich das eigene Kind aber auch besonders schwer, etwas allein zu Hause umzusetzen, auch dann liegen die Gründe eher im Unterricht, als in der Hausaufgabensituation. In beiden Fällen rate ich Eltern, das Gespräch mit dem Lehrer zu suchen.
Freizeit ist wichtiger als Hausaufgaben
Aus Erfahrung kann ich sagen, dass kritische Hausaufgabensituationen zwar für alle Beteiligten sehr anstrengend sind, aber meistens auch wieder vorübergehen. Und auch wenn selbständiges Festigen zu Hause durchaus sinnvoll beim Lernen sein kann, sollte man seinen Wert auch nicht künstlich überhöhen. Auch ein Kind, was ungern und eher schlampig seine Hausaufgaben erledigt, kann genügend lernen. Viel wichtiger als perfekte Hausaufgaben ist für den langfristigen Lernerfolg, dass Kinder am Nachmittag Zeit zum Spielen und Relaxen haben.