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Medienkonsum begrenzen. Die große Frage nach der Bildschirmzeit

Ich glaube es gibt kaum etwas, was Eltern unserer Generation so stark umtreibt, wie der Medienkonsum ihrer Kinder. Wie viel Bildschirmzeit ist gut, wann ist es zu viel und gibt es vielleicht auch zu wenig?

Tablets, Laptops, Smartphones, Streamingdienste und Spielekonsolen, das Angebot in diesem Bereich ist riesig. Wenn unsere Kinder viele Geräte nutzen, kommt schnell eine recht lange Bildschirmzeit zusammen. Viele Eltern fragen sich daher, ob sie den Medienkonsum begrenzen müssen und vor allem wie das gelingen kann.

Beim Medienkonsum gibt es keine einfachen Antworten

Die schlechte Nachricht ist: Ich habe kein Patentrezept dafür. Es gibt nämlich keins und ich rate zu großer Vorsicht vor jedem, der behauptet, er hätte eins dafür. Eine Einheitslösung, wie man Medienkonsum begrenzen kann, würde nämlich bedeuten, dass man individuelle Bedürfnisse, Entwicklungen und Fähigkeiten völlig außer Acht lässt. Wie bei allen Themen ist es aber auch hier wichtig zu schauen, wie die Kinder und Jugendlichen, die man vor sich hat, ticken.

Die erste Frage, die sich viele stellen ist ja, ob man Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen überhaupt begrenzen sollte. Im bindungs- und beziehungsorientierten Bereich gibt es eine gewisse Schnittmenge mit der Unerzogen-Bewegung und auch dort wird die Frage nach Medienkonsum begrenzen kontrovers diskutiert. Einige Eltern und Aktive vertreten den Standpunkt, dass Medienkonsum eine Freizeitbeschäftigung wie jede andere sei und dass Kinder sie deshalb selbstversunken nutzen können, so lange sie Freude daran haben. Andere sehen uns als Eltern an dieser Stelle aber schon in der Pflicht, eine Art Co-Regulation zu übernehmen und Bildschirmzeit entsprechend zu limitieren.

Ich kann beide Sichtweisen nachvollziehen. Es gibt Kinder, die relativ unempfänglich für den Reiz von Spielen oder Kinderserien sind. Sie beschäftigen sich eine Weile damit und verlieren dann von selbst das Interesse und wenden sich anderen Beschäftigungen zu. Und ich kenne Kinder, die tief in Serien oder Games verschwinden und so regelmäßig mehr Zeit vor dem Bildschirm verbringen, als gut für sie ist. Selbes gilt für Jugendliche und soziale Netzwerke oder Chatprogramme. Hat man das Glück, ein Kind ins Leben zu begleiten, dass seine Bildschirmzeit intuitiv von Anfang an so dosiert gestaltet, dass alle damit leben können, ist eine Begrenzung sicher kein großes Thema. Alles darf so weiterlaufen.

Die Faszination an großen Geschichten

Viele Heranwachsende gehören aber zur zweiten Kategorie. Sie versinken in dem, was sie tun. Das ist an sich gesehen auch weder verwunderlich, noch zu verteufeln. Viele Kinder lieben Geschichten. Sie hören gern zu, wenn wir ihnen welche erzählen. Sie lassen sich gern vorlesen, solange sie klein sind und lesen sie selbst, sobald sie es können. Sie spielen ihre Geschichten nach oder denken sich selbst welche aus, die sie mit Freunden in Rollenspielen umsetzen. Sie wollen uns Theaterstücke vorführen und schauen atemlos zu, wenn sie selbst in der Zuschauermenge sitzen. Spiele und Serien sind heute nichts anderes. Sie erzählen große und kleine Geschichten. In Games kann man sogar Teil davon sein und eigene Abenteuer erleben. Hier haben sie die Möglichkeit, sich frei in aufregenden Welten zu bewegen, während die reale Welt um sie herum oft immer steriler und von Erwachsenen strukturiert wird. All das sollten wir im Kopf behalten, wenn wir über den Medienkonsum von Kindern und Jugendlichen urteilen. Es ist einfach nur eine neue Komponente einer uralten Geschichte – Kinder lieben Abenteuer.

Natürlich ist es für niemanden gut, Geschichten nur noch durch Medien zu erleben. Das gilt übrigens für alle Medien – auch für das gute alte Buch. Leider wird das in der Diskussion oft übersehen. Auch ein Kind, das Tag und Nacht mit einem Buch vor der Nase in seinem Zimmer sitzt, konsumiert Medien. Auch dieses Kind geht nicht nach draußen, bewegt sich wenig, pflegt keine Kontakte und erlebt seine Geschichten nicht selbst. Leider werden diese Kinder jedoch oft als “kleine Leseratten” verklärt und stehen in der öffentlichen Diskussion weit aus besser da als die Kinder, die ihre Abenteuer an der Konsole erleben.

Bildschirmzeit individuell und flexibel gestalten

Unsere Aufgabe als Eltern, wenn es um das Medienkonsum begrenzen geht, besteht daher erstmal darin, die Faszination zu verstehen. Wir müssen einordnen, was unsere Kinder da tun und warum sie es lieben. Und dann müssen wir dafür sorgen, dass ihre Welt genug Alternativen enthält. Wir können mitbestimmen, wie steril ihr Umfeld ist, wie strukturiert die Tage, die sie verbringen. Wir können ihnen Nischen für unbeaufsichtigte Abenteuer schaffen, statt sie Tag und Nacht zu überwachen. Und vor allem müssen wir unseren eigenen Weg finden.

Wie dieser eigene Weg aussehen kann, dass hängt viel mit den Logiken unseres Alltags und mit der Beschaffenheit unserer Kinder zusammen. Manche Kinder sind nach einer halben Stunde Serien schauen oder zocken ziemlich reizüberflutet. Andere können auch einmal zwei Stunden an etwas sitzen, ohne dass es ihnen körperlich oder seelisch danach schlecht geht. Im Alltag mancher Kinder ist gar kein Raum für eine Bildschirmzeit, die länger als dreißig Minuten geht, weil sie lange in Einrichtungen sind oder viele Hobbys haben. Andere haben viele Stunden am Tag zur freien Gestaltung. Auch die Logik der Spiele, die Kinder spielen, sollte unbedingt mit einbezogen werden. Es gibt Spiele, bei denen enge Zeitbegrenzungen schwierig sind, weil die Kinder sonst bereits erspielte Erfolge verlieren. Dies führt meistens zu ziemlich viel Frust. Hier sollten wir Eltern genau schauen, was unsere Kinder spielen und mit ihnen im Gespräch bleiben. Wir können sie zum Beispiel nach einiger Zeit fragen, wann ein guter Zeitpunkt zum Aufhören ist und Absprachen mit ihnen treffen.

Wer trotzdem unsicher ist und nach Richtwerten sucht, wird bei Initiativen wie Schau-hin fündig. Gerade die Vorschläge zur zeitlichen Begrenzung von Bildschirmzeit, die hier gemacht werden, fand ich selbst als Mutter schon mehrmals sehr hilfreich.

Beim Thema Medienkonsum nicht resignieren

Viel wichtiger als der Weg, den wir bei diesem Themen letztlich wählen, ist dass wir an unseren Kindern und Jugendlichen dran bleiben. Ich beobachte beim Thema Medienkonsum begrenzen bei Eltern oft eine gewisse Resignation. Prinzipiell ist das auch nicht unverständlich, denn dieser Bereich ist so dynamisch und wandelt sich so rasch, dass wir kaum hinterher kommen. Dies sollte jedoch nicht dazu führen, dass wir wahlweise zu stark oder eben gar nicht mehr regulieren, was unsere Kinder tun. Viel mehr sollten wir uns immer wieder dafür interessieren und versuchen, eine möglichst unaufgeregte Haltung zur Bildschirmzeit zu entwickeln.

Fotos: Inka Englisch (Link)

Über mich:

Unternehmerin, Erziehungswissenschaftlerin, Familienberaterin, Autorin, dreifache Mama und vor allem für Sie und ihre Familie da.

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