Jeder von uns kennt es. Dieses Gefühl, abends, nachdem das letzte Kind endlich eingeschlafen ist, todmüde in den Sessel zu sinken. Vielleicht schielen wir mit leicht schlechtem Gewissen rüber in die Küche, wo noch die dreckige Pfanne in der Spüle steht. Vielleicht denken wir an die saubere Wäsche, die seit Tagen in der Wanne darauf wartet, in den Schrank sortiert zu werden. Oder die Steuererklärung löst ein leichtes Zwicken in unserer Magengegend aus.
Was habe ich eigentlich den ganzen Tag gemacht, fragen wir uns in solchen Minuten oft. Dabei ist es ganz einfach – wir haben ziemlich viel Zeit mit Familienarbeit verbracht. Und zwar wahrscheinlich mit dem Teil der Familienarbeit, der für andere und uns selbst oft unsichtbar bleibt.
Unsichtbare Familienarbeit
Unsichtbare Familienarbeit – die erledigen wir alle. Ganz egal, ob wir uns für ein Lebensmodell als Hausfrau und Mutter, als Teilzeitbeschäftigte, als Freiberuflerinnen oder als in Vollzeit Berufstätige entschieden haben. Wir alle haben gemeinsam, dass wir neben unseren Pflichten im Haushalt, am Schreibtisch, am Arbeitsplatz oder sonst irgendwo, auch noch Dinge tun, die niemand sieht. Sehen würde die Welt sie erst, wenn wir sie nicht mehr erledigen würden. Nicht die Dinge selbst natürlich, die bleiben unsichtbar, aber die Folgen unseres Nichtstuns würde die Welt schnell wahrnehmen.
Sichtbar wird nur das, was jemand nicht tut
Niemand sieht all die Stunden, die ich schon am Esstisch verbracht habe, während Kinder lernen oder Hausaufgaben machen mussten. Niemand sieht die unzähligen Stunden, die ich damit zubringe, das Lagerfeuer am Brennen zu halten. Doch glaubt mir, ihr würdet es sehen, wenn wir Mütter (oder Väter) diese Art der Arbeit einstellen würden. Kinder, die zu Hause kein warmes Feuer mehr erwartet, fallen auf. Sie stellen unsere Gesellschaft vor Herausforderungen. Sie kosten Institutionen Zeit, Geld und Nerven (und damit hier keine Missverständnisse aufkommen – das soll nicht heißen, dass nicht auch meine Kinder die eine oder andere pädagogische Institution schon Nerven gekostet haben, aber die Qualität ist eine andere).
Niemand sieht die rund 100.000 Stunden, die ich in den letzten zehn Jahren an Kinderbetten gesessen habe, um kleinen Menschen zu helfen, sicher in den Schlaf zu finden. Niemand hat die Tage gezählt, die ich vor eineinhalb Jahren mit drei kranken Kindern auf dem Sofa verbracht habe. Damals, als sie wochenlang mit Grippe flach lagen. Das Ergebnis, wenn ich es nicht getan hätte, das hättet ihr aber wohl gesehen. Das wären Kinder gewesen, die, obwohl noch zu angeschlagen, um richtig präsent zu sein, in Einrichtungen gegangen wären. Kinder, um die sich Lehrer und Erzieher hätten kümmern müssen, statt ihre eigentlichen Aufgaben erfüllen zu können. Es wären Kinder gewesen, die andere Kinder angesteckt hätten.
Abertausend Wege und nie einen Gedanken zu Ende denken
Niemand bekommt mit, wie oft ich in dem, was ich gerade tun will, unterbrochen werde. Niemand ist dabei, wenn ich meinen Gedanken, den ich gerade hatte, fallen lassen muss oder die Pfanne, die ich eigentlich endlich spülen wollte. Niemand sieht, wie ich leise in mich rein fluche und wie ich mich dann trotzdem dem Kind zuwende. Niemand weiß, wie wichtig das, was an mich herangetragen wurde, gerade im kindlichen Universum ist. Doch wir bekommen alle immer wieder mit, was passiert, wenn Kinder sich nirgendwo mehr gehört und gesehen fühlen.
Niemand sieht all die abertausend Wege, die wir Eltern zurücklegen. Sei es, weil wir das kleine Fahrrad schieben, auf dem ein Kind seine ersten Strampelversuche macht. Sei es, weil wir sie zu ihrem Schwimmkurs fahren. Es fällt nur auf, wenn wir es nicht tun. Die immer größer werdende Zahl an Kindern, die in der vierten Klasse weder Rad fahren, noch schwimmen können, wird in den letzten Jahren häufiger thematisiert.
Unsichtbar zwischen all den schlechten Nachrichten
Fragst du dich wirklich manchmal abends, was du den ganzen Tag gemacht hast? Ich sage es dir. All das, was ich hier aufgezählt habe, hast du getan. Und wahrscheinlich noch sehr viel mehr. Dass du das getan hast und das ich das getan habe, findet nie Eingang in irgendwelche Nachrichten. Es bleibt unausgesprochen. Es geht unter in all den Schlagzeilen, die uns erzählen, wie schlimm unsere Kinder geworden sind. Es geht unter in all dem Elternbashing, das wir lesen müssen. Es findet keine Erwähnung, wenn Eltern wahlweise als desinteressiert oder überbehütend und in jedem Fall erziehungsunfähig dargestellt werden. Auch die vielen, vielen Artikel, die uns Mütter in der Konfortzone wähnen, erzählen nicht von den vielen tausend Stunden Arbeit, die wir jeden Tag genau hier verrichten.
Das Einzige, was von all den unsichtbaren Stunden erzählt, ist das zärtliche, kleine Gefühl von Geborgenheit, das wir haben gedeihen lassen. Es ist tief verwurzelt, in den Herzen unserer Kinder und in unseren eigenen. Dort strotzt es Stürmen, Starkregen und groben, ungehobelten Händen, die versuchen, es rauszureißen. Es bleibt dort konstant und für immer, mal weniger, mal mehr spürbar. Es prägt Lebenswege und Erinnerungen. Dieses Gefühl ist der eine große Artikel, der über die vielen tausend unsichtbaren Stunden geschrieben wurde. Und vielleicht reicht das am Ende auch.
Schattenarbeit habe ich sie immer genannt – in dem zunehmenden Bewusstsein, dass Sonne auch nur mit Schatten schön ist… und was wir aus der erwerbstätigen Arbeitswelt kennen, die/der Vorgesetzte kann nur gut sein, wenn die Kraft im Hintergrund alles im Griff hat. Und
Ja genau so ist es. Schattenarbeit ist auch ein schöner Begriff.
Wie wertschäzend und ermutigend. Das konnte ich gerade gut gebrauchen. Danke 🙂
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