Mama, dürfen wir noch ein bisschen auf den Spielplatz? Wir saßen im Campingplatzrestaurant in Südtirol. Während mein Mann und ich gerade erst unser Hauptgericht fertig hatten, hatten die Kinder längst das Eis verspeist. So langsam hielt sie nichts mehr auf ihren Plätzen. Sie wollten über die großen Wiesen des Campingplatzes rennen, wippen, schaukeln und klettern. Klar, sagte ich, zieht euch aber die Jacken an. Schon waren sie weg – freudestrahlend sahen wir sie am Fenster vorbei Richtung Schaukeln rennen. Mein Mann bestellte uns derweil noch etwas. Bringen Sie es uns auf die Terrasse, sagte er zum Kellner, wir setzen uns raus. Als wir unsere Jacken anzogen, fragte die Frau am Nachbartisch, warum wir da jetzt raus wollten. Den Kindern würde doch auf diesem Platz nichts passieren, setzte sie hinzu. Weil da ein Pool ist, antwortete ich knapp und folgte meinem Mann nach draußen. Die hat Angst, dass sie reinfallen, erklärte die Frau dabei ihrem Begleiter leicht amüsiert und ignorierte die Tatsache, dass ich noch in Hörweite war. Ich war an diesem Abend milde gestimmt, deshalb habe ich das so stehen lassen. Ich hätte auch diskutieren können. Über Aufsichtspflicht der Eltern zum Beispiel.
Aufsichtspflicht der Eltern im Schwimmbad
Unsere Kinder sind zehn, acht und vier Jahre alt. Die Großen können bereits sicher schwimmen. Doch auch Kinder, die das sehr gut können, können im Pool ertrinken. Wenn sie zum Beispiel selbst völlig davon überrascht werden, dass sie auf einmal im Wasser landen, das Wasser zudem sehr kalt ist und sie schwere Klamotten, wie lange Jeanshosen, Schuhe und Jacken tragen. All das war an diesem Aprilabend der Fall. Unsere jüngste Tochter kann noch nicht schwimmen. Würde sie beim Spielen versehentlich in den Pool fallen und niemand es mitbekommen, würde sie ertrinken. Abends ist das Schwimmbad, das zu unserem Campingplatz gehört, nicht mehr offiziell geöffnet. Feriengäste dürfen es nutzen – auf eigene Gefahr – und Eltern haften für ihre Kinder. Das bedeutet in diesem Fall nichts anderes, als dass wir für unsere Kinder verantwortlich sind – dass wir die Aufsichtspflicht haben – dass wir Sorge tragen müssen, dass ihnen nichts passiert.
Zwischen Fürsorgepflicht und Überbehütung
In öffentlichen Diskussionen oder aber Randbemerkungen wie in diesem Erlebnis, merke ich immer wieder, dass die Meinungen bei Fragen der elterlichen Aufsichtspflicht weit auseinandergehen. Das ist von daher nicht verwunderlich, dass das Gesetz nicht eindeutig regelt, wie diese Aufsichtspflicht der Eltern aussehen sollte. Eltern, so heißt es dort, tragen die Verantwortung dafür, dass Kinder weder selbst Schaden nehmen, noch anderen Schaden zufügen. Das heißt aber nicht, dass wir sie permanent beaufsichtigen müssen. Im Gegenteil, unsere Kinder sollen ja auch lernen, selbstwirksam zu sein und Verantwortung zu übernehmen. Würden wir ständig über ihnen kreisen und jeden ihrer Schritte begleiten, würden wir ihnen diese Chance nehmen.
Eltern kennen ihre Kinder am besten
Wie viel Freiheit wir unseren Kindern geben können, hängt von ihrem Alter und unserem Ermessen ab. Kinder im Grundschulalter können ruhig auch schon allein zu Freunden gehen, die nicht allzu weit weg sind oder auf Spielplätze, die sie gut kennen und wir müssen nicht dauernd hinterher schauen. Kleinere Kinder sollten wir jedoch nicht so weit weg lassen und wenn wir sie allein im Garten oder vor dem Haus spielen lassen, in kurzen Abständen von 10 bis 15 Minuten schauen, was sie treiben. Letztlich kennen wir Eltern unseren Kinder sowieso am besten und wissen, was wir ihnen zutrauen können und oft sind die Unterschiede groß – selbst unter Geschwistern. Während ich mir beim größten Kind sicher sein konnte, dass er im Kindergartenalter im Garten blieb, wenn ich für ein paar Minuten ins Haus ging, muss ich die Kleinste heute immer mitnehmen, weil sie zu abenteuerlustig ist.
Eltern haften für ihre Kinder
Im Fall des Pools und unseren spielenden Kindern auf dem Campingplatz heißt das, dass wir als Eltern in der Pflicht sind, die Lage einzuschätzen. Unser jüngstes Kind hätte in jedem Fall der genaueren Aufsicht bedurft. Wir befanden uns außerdem in Wassernähe an einem Ort, der uns nicht so vertraut war. In so einem Fall gelten auch für die anderen Kinder andere Maßstäbe, als Zuhause. Deshalb war es für uns nur logisch, uns nach draußen zu setzen. So konnten wir ein Auge auf unsere spielenden Kinder zu haben und im Notfall eingreifen. Abgesehen davon gibt es sowieso schlimmere Szenarien, als zusammen mit dem Mann auf einer Terrasse zu sitzen, zuzuschauen, wie die Alpen im Dämmerlicht verschwinden und Wein zu trinken, während die Kinder auf einer Wiese spielen. Das ist auf jeden Fall schöner, als hinterher die Folgen für etwas zu tragen, für das man verantwortlich gewesen wäre.