Wir würden es uns anders wünschen, aber Fakt ist, dass es immer wieder schwere Themen gibt, die zu unserem Alltag gehören. Eben war gerade noch alles wunderschön in unserer kleinen, heilen Welt und dann wird die liebe Freundin krank, der Opa stirbt oder irgendwo auf der Welt tötet irgendjemand sinnlos viele Menschen. Früher versuchten Erwachsene, solche Themen von Kindern fern zu halten. Sie zogen sich hinter geschlossene Türen zurück, redeten hinter vorgehaltener Hand und versteckten ihre Tränen. Ich weiß nicht, wie es euch ging, doch ich habe meistens gespürt, wenn schwere Themen in der Luft lagen. Meine Eltern waren irgendwie anders, das Telefon klingelte vielleicht ein bisschen öfter, die Telefonate wurden leiser geführt. Meistens lauschte ich an Türen oder saß im Flur, wenn meine Eltern mich im Bett vermuteten und es kam immer mal wieder vor, dass ich Dinge aufschnappte, die ich gar nicht einordnen konnte. Zum Glück waren meine Eltern dann meistens doch relativ offen und bemühten sich, umso älter wir wurden, mit uns auch über Themen zu sprechen, die sie belasteten.
Ich habe mir vorgenommen, meine Kinder so gut es geht, von Anfang an an meiner Welt teilnehmen zu lassen und dazu gehört auch, meine Sorgen, Ängste und Schmerzen mit ihnen zu teilen. Allerdings tue ich das nicht ungefiltert und auch nicht in dem vollem Maß, in dem ich sie vielleicht empfinde. Das finde ich wichtig, denn gerade wenn wirklich beängstigende oder traurige Sachen im Raum stehen, brauchen unsere Kinder starke Erwachsene, die Führung und Verantwortung übernehmen.
Dazu gehört zunächst einmal, dass wir selbst uns ein bisschen Zeit nehmen, die Dinge für uns einzuordnen. Wie schlimm ist die Erkrankung der Freundin wirklich und wie geht es mir damit? War Opas Tod ein Ereignis, dass sich lange vorhersehen ließ und bin ich darüber einigermaßen gefasst oder haut es mich gerade total aus den Socken? Macht der Terroranschlag auf die nahe gelegene Großstadt mir Angst und beeinflusst er mein Verhalten im Alltag oder schaue ich nur fassungslos und mit gewissem Abstand auf die Ereignisse? Vielleicht müssen wir selbst erst einmal mit anderen Erwachsenen darüber reden, unsere eigenen Sorgen, Ängste oder unsere Trauer verbalisieren, uns selbst einmal fest in den Arm nehmen lassen. Erst wenn wir in uns selbst wieder Halt gefunden haben, ist ein guter Moment, um mit unseren Kindern zu sprechen.
Unsere Kinder dürfen wissen, wie es uns mit der Situation geht. Sie dürfen lernen, dass unterschiedliche Gefühle dazu gehören, wenn in unserer Welt etwas zerbricht. Wir dürfen sagen, dass wir uns Sorgen machen, dass wir Angst haben, traurig sind und vielleicht auch wütend. Doch gleichzeitig sollten wir auch aufzeigen, wie wir uns wieder ein wenig von den Gefühlen lösen – was uns tröstet, was wir gegen unsere Angst tun oder wohin wir mit unserer Wut gehen. Ich bin traurig darüber, dass Oma im Krankenhaus liegt, aber wenn ich daran denke, dass ich sie morgen wieder besuchen kann, dann geht es mir schon ein bisschen besser. Damit zeigen wir unseren Kindern, dass was wir fühlen und auch, dass unsere Gefühle in Ordnung sind – und gleichzeitig, dass wir ihnen nicht völlig hilflos ausgeliefert sein müssen.
Die großer Herausforderung solcher Zeiten ist der Spagat zwischen Authentizität und Führung. Wenn wir nicht authentisch sind, merken unsere Kinder das meist schnell und es verunsichert sie. Sie sehen, dass wir geweint haben, auch wenn wir versuchen, es zu verbergen. Sie spüren unsere Ängste und unsere Wut und wenn wir uns nicht erklären können, dann beziehen sie diese oft auf sich selbst. Anderseits ist es aber so, dass schlimme Nachrichten für unsere Kinder auch immer etwas Verunsicherndes haben und gerade dann sind sie auf Halt von uns angewiesen. Wir müssen an ihrer Seite sehen und ihre Felsen sein.
Doch manchmal gibt es Situationen, in denen das nur sehr schwer geht. Wenn die eigenen Eltern sterben, Geschwister sehr krank werden oder sogar eines unserer Kinder oder eine globale Katastrophe auf einmal direkt auf unsere Familie einwirkt. Dann ist es einmal mehr wichtig, dass wir andere Menschen mit in unser Familienleben mit einbeziehen. Vielleicht muss der Patenonkel ein paar Tage Fels in der Brandung sein oder die Großeltern. Es ist wichtig, dass wir erkennen und uns eingestehen, wenn wir es selbst mal nicht schaffen, unseren Kindern in schweren Stunden den nötigen Halt zu geben. Daran ist nichts peinlich, nichts falsch, nichts schwach, nichts von schlechten Eltern. Es ist vielmehr gut zu erkennen, das wir in dem Moment nicht das sind, was unser Kind braucht und dafür zu sorgen, dass es Unterstützung bekommt. Wenn schwere Themen uns zu sehr belasten, ist es gut, nach Hilfe zu rufen.
Pingback: Familienleben ist nicht immer rosarot - was trägt in schwierigen Phasen - Eltern sein - Familie leben