Eltern sein, Familie leben

Einmal noch – und mit Gefühl

Eine Freundin erzählte mir kürzlich von ihrem Wiedereinstieg ins Berufsleben. Sie tat das voller Begeisterung, mit Glanz in den Augen, Aufregung in der Stimme und kämpferischem Herz, das allen Mut zusammen nahm, um die Restzweifel klein zu halten. Das geht jetzt, sagte sie, denn meine Kinder sind alt genug. Sie sind elf und dreizehn Jahre alt, sie sind groß und es wird jetzt funktionieren! Ich freute mich für sie – und ich machte nebenbei dem Fehler auszurechnen, wie lange es noch dauert, bis mein jüngstes Kind elf Jahre alt ist – und weil ich gerade dabei war, setzte ich noch eins drauf, ich rechnete aus, wie alt ich dann sein werde. Tut es lieber nicht, zumindest dann nicht, wenn ihr jenseits der 35 noch ein Kind geboren habt.

Fakt ist, es wird noch ziemlich viel Zeit vergehen, bis ich freudestrahlend sagen kann, das mein Berufsleben nun im verstärkten Maß außer Haus stattfinden kann und bis ich mich trauen kann, in den Strukturen eines vollen Arbeitstages zu denken, denn mein jüngstes Kind ist gerade erst vier Jahre alt. Ich selbst habe für mich nämlich gerade entschieden, es noch länger langsam angehen zu lassen und weniger zu arbeiten und vor allem den außerhäuslichen Bereich noch mehr zu reduzieren.

Und anderseits wird die Zeit rasen. Die ersten zehn Jahre meiner Mutterschaft sind wie im Flug vergangen und wenn die nächsten zehn Jahre rum sind, habe ich zwei erwachsene Kinder und einen Teenager. Dann kann ich auf einmal ziemlich viel tun, dann muss ich weniger Rücksicht nehmen und meine selbstbestimmte Zeit endet nicht mehr um 11:50 Uhr. Wie schnell zehn Jahre vergehen, das habe ich in den letzten Monaten sehr intensiv gespürt. Es ist nichts Großes, Weltbewegendes passiert und doch waren es viele Kleinigkeiten, die mir gezeigt haben, das gerade etwas zu Ende geht.

Mein ältestes Kind ist nicht mehr problemlos für alles zu begeistern, was unseren Familienalltag früher bereichert hat. Komm wir backen mal was bringt ihn nicht mehr aus seinem Zimmer heraus und ein wollen wir auf den Spielplatz nur, wenn es der Spielplatz mit dem Bolzplatz nebenan ist – und eigentlich möchte er da auch ohne Mama und Schwestern hin. Ein Vorlesenachmittag mit Mama, Keksen und Kakao auf dem Sofa ist für die Schulkinder nur so lange interessant, bis es an der Tür klingelt – und bei uns klingelt es eigentlich täglich. Dann ziehen sie ihre Schuhe an, schnappen ihre Roller oder ihren Fußball und sind verschwunden, bis es dunkel wird. So soll es sein, so darf es sein und eigentlich muss es das auch. Aber manchmal schmerzt mein Mamaherz.

Wo ist die Zeit, die wir gemeinsam verplant haben? Was ist aus den Nachmittagen im Wald geworden, den Picknicks im Garten, unseren Teerunden und dem gemeinsamen Plätzchen backen in der Vorweihnachtszeit? Wann wurde mir der Platz als Nummer 1 in ihrem Leben streitig gemacht? Und warum um alles in der Welt habe ich die Zeit davor so oft gar nicht richtig genossen? Warum habe ich beim Backen so oft daran gedacht, dass ich gleich die Küche wieder sauber machen muss? Warum habe ich innerlich öfter die Augen gerollt, als sie mit mir Eisdiele spielen wollten und wieso hatte ich so oft das Gefühl, etwas entscheidendes auf Facebook zu verpassen, während ich Sandburgen baute? Während dieser Zeit, so schön sie auch war, hatte ich oft das Gefühl, sie würde nie enden und nun stehe ich da und trauere ihr nach. Ich freue mich für sie, wenn sie ausfliegen, doch ich glaube die Wehmut ist immer ein Teil des Mutterseins.

Und dann war da dieser Donnerstag. Gleich in der ersten Woche, in der endlich wieder Schule war und ich Zeit zum Arbeiten hätte. Doch auf diesen Donnerstag hatte irgendjemand, wahrscheinlich ich, die U8 der Kleinen gelegt. Und so packte ich stattdessen unsere Sachen und fuhr zur Kinderärztin. Als wir fertig waren, wollte sie auf den großen Spielplatz neben der Praxis. Da waren wir, ich und mein kleiner Wirbelwind. Sie rannte und kletterte, vertiefte sich in ihr Spiel und bezog mich immer wieder mit ein. Musste Pippi und ich hielt sie ab. Fror und bekam Hunger und wir kauften Hörnchen und machten uns daheim Kakao. Dabei sah ich sie immer wieder an, mein kleines Goldlöckchen, den Grund, warum ich fast 50 sein werde, wenn ich einmal davon sprechen kann, dass nun wieder Raum für mich entsteht. Und  an diesem Vormittag wurde es mir klar: Ich darf alles noch einmal machen. Die Zeit, die bei ihren Geschwistern langsam endet, fängt bei ihr gerade an. Noch einmal endlose Vorlesenachmittage auf der Couch. Noch einmal Spielplatzbesuche, noch einmal jemand, der freudestrahlend mit mir backt und bastelt. Noch ein paar Jahre darf ich im Leben von einem kleinen Menschen die Nummer 1 sein. Ich tue alles noch einmal – wen interessiert da schon, wie alt ich in ein paar Jahren bin?

1 Kommentar zu „Einmal noch – und mit Gefühl“

  1. Meine Kinder sind ja noch recht klein (10,7und fast 3jahre)
    Ich finde diesen Beitrag sehr schön geschrieben aber ich muss sagen ich bin eher an dem Punkt noch oder schon das weiß ich nicht, wo ich einfach nur stolz bin das meine großen so selbstständig sind und mich eben nicht mehr soviel brauchen!ausserdem finde ich wir Mamas bleiben immer die Nummer 1 auch wenn es sich nicht so anfühlt!Ich genieße jede Phase des Alters meiner Kinder und auch mir!älter werden ist was tolles ob nun klein oder groß und mal ehrlich auf den Spielplatz kann man auch mit 50noch und Spaß haben ????
    Kurz gesagt ich sehe das ganze eher positiv nicht weil ich noch einmal mit der kleinen gewisse Dinge erleben kann sondern weil ich neue Abenteuer mit voranschreitendem alter aller Kinder erleben darf!

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Fotos: Inka Englisch (Link)

Über mich:

Unternehmerin, Erziehungswissenschaftlerin, Familienberaterin, Autorin, dreifache Mama und vor allem für Sie und ihre Familie da.

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