Ob man denn immer alles auf darauf überprüfen müsse, dass es pädagogisch wertvoll sei, wurde ich des öfteren gefragt, nachdem ich letzte Woche den Artikel über den Weihnachtsmann veröffentlicht habe. Ich habe darüber ein bisschen nachgedacht und finde – nein, man muss nicht alles darauf überprüfen, ob es pädagogisch wertvoll ist. Ich selbst bin überhaupt keine Freundin des Stempels “pädagogisch wertvoll”. Pädagogisch wertvolles Spielzeug finden meine Kinder oft langweilig – und ich kann sie verstehen. Pädagogisch wertvolle Freizeitbeschäftigungen stressen mich – und ich halte sie auch oft nicht für sinnvoll. Meine Erziehungsentscheidungen sind oft genau dann die besten, wenn sie gerade nicht pädagogisch wertvoll waren. Ich finde, wir sollten lieber einen anderen Indikator an unsere Entscheidungen anlegen – und zwar menschlich wertvoll.
Im Familienleben sollten übergeordnete Ziele nicht im Mittelpunkt stehen
Pädagogisch wertvolle Maßnahmen zeichnen sich oft dadurch aus, dass sie uns scheinbar irgendeinem Ziel näher bringen. Pädagogisch wertvolles Spielzeug soll unseren Kindern helfen, diese oder jene Lernerfahrung zu machen. Pädagogisch wertvolle Freizeitbeschäftigungen haben einen Bildungsanspruch und pädagogisch wertvolle Erziehungsmaßnahmen wollen unsere Kinder in eine bestimmte Richtung formen. Das klingt alles nett – und irgendwie leer und beziehungslos, wenn man genauer hinsieht. Versteht mich nicht falsch, es ist nicht Schlechtes daran, wenn Kinder beim Spielen oder in der Beziehung mit uns Lernerfahrungen machen, die gemein hin als pädagogisch wertvoll gelten. Ein Ausflug ins Museum, ein vielfach ausgezeichnetes Gesellschaftsspiel oder eine Vorlesegeschichte mit Tiefe und neuen Erkenntnissen sind etwas Gutes. Allerdings nur, wenn sie Teil von etwas anderem sind. Teil von Nähe, Liebe, Spaß und gemeinsamer Zeit. Und wenn sie von den Kindern gewollt sind und nicht aufgezwungen wurden. Problematisch ist es nur, wenn das Siegel pädagogisch wertvoll zum alleinigen Prüfstein für die Gestaltung unseres Familienlebens wird.
Denn im Familienleben sollten andere Prioritäten gelten. Die Beziehungen zu unseren Kindern und unter uns Erwachsenen sollten warm, herzlich und ehrlich sein. Sie sollten sich nicht an pädagogischen Maßgaben orientieren, sondern an menschlichen. Das heißt nicht, dass wir immer alles heititei und harmonisch sein muss. Es bedeutet nicht, dass wir jeden Abend mit unseren Kindern, die wir vorher nie geschimpft oder begrenzt haben, in den Sonnenuntergang reiten. Nein, denn da wo menschlich wertvolles Zusammenleben stattfindet, da gibt es Reibung, da gibt es Streit und da sind alle Beteiligten vor allen Dingen eins: Unperfekt! Es bedeutet aber, dass wir mit unseren Kindern um deren selbst willen umgehen und nicht, weil wir ein übergeordnetes Ziel verfolgen.
Die Frage nach dem menschlichen Mehrwert
Unsere Kinder sollen sich in unserem Familienleben als die Personen geliebt und angenommen fühlen, die sie sind. Sie sind keine Rohmasse, die wir beliebig formen können, in welche Richtung wir auch immer gerade wollen. Sie bringen ihre eigene Persönlichkeit mit auf die Welt und auch, wenn diese noch nicht so ausgereift ist, wie die unserer erwachsenen Gegenüber, ist sie doch vorhanden und bedient die gleiche Wertschätzung, die wir auch unserer besten Freundin, unserem Partner oder unseren Eltern entgegenbringen.
Doch was bedeutet die Frage nach dem menschliche Wertvollen dann für meine eingangs aufgeworfene Diskussion um den Weihnachtsmann? Ganz einfach, sie bedeutet, dass wir uns fragen müssen, wo der menschliche Mehrwert dieser Geschichte für unsere Kinder ist. Fühlen sie sich stärker geliebt und angenommen? Würden wir den Weihnachtsmann als Erziehungshelfer auch im Konflikt mit unseren Partnern oder Freunden als letzte Waffe ins Gefecht schicken? Stärkt es den Selbstwert unserer Kinder, wenn wir Liebesbekundungen – und nichts anderes sind Geschenke – an Bedingungen knüpfen? Strahlt Gottes bedingungslose Liebe durch unser Handeln ab?
Und vielleicht ist bei dir auch alles ganz anders. Vielleicht ist der Weihnachtsmann bei dir zu Hause ja auch jemand, der auf jeden Fall kommt. Der gar keine Liste hat, auf der er brave und böse Kinder unterscheidet, sondern einfach nur eure Adresse kennt. Vielleicht hat er auch kein goldenes Buch, aus dem er vorliest, sondern arbeitet mit seinen Wichteln hinter einer geheimen Tür an den Geschenken, weil er allen Kindern gern eine Freude macht. Vielleicht sorgt der Weihnachtsmann bei euch einfach nur für jede Menge Spaß und für ein paar wenige Jahre für Bauchkribbeln und leuchtende Kinderaugen. Dann ist das sicher nicht pädagogisch wertvoll, aber es schafft wunderschöne Kindheitserinnerungen, die eure Kinder mit ins Leben nehmen. Und das finde ich menschlich ziemlich wertvoll.
Hallo, ich kann es unterstreichen, was Du schreibst, nur warum ist es für Dich – zumindest in diesem Beitrag, so ein Gegensatz: pädagogisch – menschlich? Eine unmenschliche oder entmenschlichte oder nicht an den menschlichen Bedürfnissen der Kinder orientierte Pädagogik ist doch ein Widerspruch in sich und funktioniert in der Regela auch nicht, erreicht also ihr ZIel nicht. Lg egeg
Hallo. Vielen Dank für deinen Kommentar und deine Frage. Ein Widerspruch ist es für mich per se ja auch nicht, das habe ich auch an einer Stelle ausdrücken wollen. Es ist eher die Art der Prioritäten, die ich setze. Wenn menschlich oder pädagogisch, dann menschlich. Bzw. es ist der Mut, mal eine menschlich wertvolle Entscheidung zu treffen, auch wenn sie pädagogisch vielleicht nicht sinnvoll oder wertvoll ist. Liebe Grüße
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