Wie ihr seht, bin ich gedanklich noch immer nicht fertig mit dem, was der Film Elternschule ausgelöst hat. Wie könnte ich auch? Es vergeht kein Tag, an dem sich nicht mindestens eine Person bei mir bedankt, dass ich laut bin und meine Meinung sage. Das tut gut. Es vergeht auch kein Tag, an dem mich nicht mindestens einer kritisch auf die vermeintlichen Schwächen meiner Argumente hinweist. Das fordert heraus. Es gibt viele Tage, an denen mir Menschen suggerieren, dass sie nicht mit meinen Ansichten einverstanden sind. Das stachelt mich an. Und leider gibt es die Tage, an denen Menschen sich melden, die über meine Aussagen traurig sind. Das tut weh! All das zeigt aber auch, wie sehr uns die Debatte um den Film gegen den Strich bürstet – und wie Erziehung polarisiert.
Wenn jemand mich kritisch hinterfragt, fühle ich mich herausgefordert, noch mehr zu lesen, noch tiefer in die Themen einzusteigen, mich selbst auch noch einmal neu zu hinterfragen und natürlich auch zu bestätigen.
Kritik an Methoden ist nicht gleich Kritik an Eltern
Was ich nicht gut haben kann ist, dass es Menschen gibt, die traurig und enttäuscht sind. Es sind Bekannte, die sich, als ihre Kinder klein waren, nicht anders zu helfen wussten, als die Ferber-Methode anzuwenden. Es sind Menschen aus meinem Umfeld, die selbst schon einmal in einer sehr schwierigen Situation waren und sich auf Arten haben helfen lassen, die den Methoden der Gelsenkirchener Klinik ähneln. Sie fühlen sich nun schlecht, weil ich diese Ideen für einen Umgang mit Kindern ablehne. Meine Kritik daran wirkt auf sie wie eine Kritik an ihnen als Eltern.
Ich glaube, das ist ein großes Problem in Erziehungsdebatten. Wenn jemand etwas anderes macht oder uns als Eltern in Frage stellt, beziehen wir das auf unsere Elternrolle als solche. Deshalb versuchen wir das, was wir gelebt haben, mit allen Mitteln zu verteidigen.
Doch muss das eigentlich so sein? Gibt es wirklich immer nur den einen Königsweg, wenn es darum geht, Kinder ins Leben zu begleiten? Ich denke nicht. Ich bin mir sicher, dass man Nestwärme auf viele verschiedene Weisen erzeugen kann. Ich glaube, ein warmes Zuhause ist weit mehr als die Frage danach, wer wo und wie eingeschlafen ist. Ein warmes Zuhause ist ein Ort, an dem Liebe das vorherrschende Gefühl ist. Es ist ein Ort, an dem jemand da ist, der für kleine Menschen eine Oase schafft – ein warmes Nest eben. Damit wir diese Menschen sein können, müssen wir nicht nur auf unsere Kinder gut aufpassen, sondern auch auf uns selbst. Dieses Aufpassen auf uns ist auch immer wieder ein Abwägen und ein Austarieren. Wir müssen uns immer wieder neu fragen, wo wir ein bisschen leidensfähig sein sollten und wo wir unsere persönlichen Grenzen auf jeden Fall wahren müssen.
Es läuft nirgendwo immer optimal
Wenn wir unsere Grenzen wahren wollen, gibt es mit etwas Glück gute, wertschätzende Methoden, dies zu tun. Vielleicht kennen wir sie. Oder wir kennen sie zwar nicht, aber es gibt jemanden, der uns dabei unterstützt und in die richtige Richtung schubst. Sowas passiert, wenn es gut läuft. Nur läuft es leider nicht immer gut. Nicht in der Elternschaft, nicht im sonstigen Leben. Und manchmal ist es halt so, dass man sich nicht mehr zu helfen weiß und Dinge tut, die vielleicht nicht ganz optimal sind. Das kennen wir alle. Die einen neigen dazu, ihre Kinder anzubrüllen, wenn die Nerven blank liegen. Die anderen verhängen Strafen, noch bevor sie überhaupt gemerkt haben, dass sie gerade sprechen. Wieder andere klammern sich an ausgeklügelte Programme und schaffen sich damit Erleichterung in Situationen, die sie nicht mehr aushalten.
Wir können das alles jetzt bewerten und jeder einzelnen Tat den Stempel schlecht aufdrücken. Oder wir lassen das lieber mal. Stattdessen könnten wir uns gegenseitig trösten, in unseren Unzulänglichkeiten, die wir alle haben, annehmen und uns Mut machen. “Boah, das war bestimmt eine echt schwierige Situation für dich!” und “Weißt du, ich finde es total schön, wie du mit deiner Tochter auf dem Spielplatz rumtobst” sind viel schönere und konstruktivere Sätze, als die Belehrung über die Auswirkungen eines Schlafprogramms.
Zu Fehlern stehen und sie hinter sich lassen
In einer Welt, in der wir so miteinander umgehen, können wir auch alle leichter zugeben, dass wir Fehler machen. Die macht nämlich jede Mutter und auch jeder Vater. Und wenn wir uns dieser Tatsache immer bewusst sind, dann muss es sich auch nicht mehr blöd anfühlen, dass jemand öffentlich für seinen eigenen Weg einsteht. Es ist doch ganz einfach: Wenn ich mich öffentlich gegen ein Schlafprogramm ausspreche, ihr aber genau das mit euren Kindern getan habt, finde ich das nicht optimal. Genauso finde ich es von mir nicht optimal, dass ich meine beiden großen Kinder anbrülle, wenn sie vor der Tür Lärm machen, während ich die Kleine ins Bett bringe. Ich finde es auch nicht so großartig von mir, dass ich meinen Kindern ab und zu noch eine zweite und sogar noch eine dritte Folge ihrer Serie erlaube, weil ich in dem Moment einfach mal meine Ruhe haben will. Und ich könnte noch dreiundzwanzig andere Beispiele nennen.
Früher habe ich mich für all das geschämt. Doch heute weiß ich, dass ich in jeder dieser Situationen mein Allerbestes gebe. Und genauso weiß ich, dass ihr die besten Eltern wart, die ihr in diesem Moment nur sein konntet, als ihr Schlafprogramme gemacht habt oder Essenstrainings.
Ich versuche im Alltag, wenn möglich, so gut auf mich zu achten, dass solche Situationen nicht zum Dauerzustand werden. Genauso bin ich jederzeit bereit, euch zu helfen, andere Wege zu finden. Doch ich bewerte nicht, was in der Vergangenheit war (und die ist manchmal nur eine Minute her). Nicht bei euch und nicht bei mir. Deshalb muss Erziehung zwischen uns auch nicht polarisieren.
Hi Daniela,
Das hast du gut gesagt. Nur weil man selbst vielleicht etwas gemacht hat, was jetzt als schwierig gilt, braucht man nicht mit allen Mitteln zu versuchen, es doch noch als gut hinzubiegen. Ich habe vor 15 Jahren an der Uni auch Erziehungs-Methoden gelernt, die heute als schädigend gelten…und unsere Eltern haben mitunter Gewalt angewendet, weil das noch Standart war und noch nicht gut genug untersucht, was das für Auswirkungen haben kann. Deshalb helfen uns aber jetzt nicht Sätze wie: „das hat man halt so genacht, hat uns auch nicht geschadet.“, sondern vielmehr Sätze wie: „das tut mir leid, ich wusste es damals nicht besser. Ich habe einen Fehler gemacht.“ sowas hat Potenzial Vertrauen und gesunde Bindung wieder herzustellen. Deshalb will ich uns allen Mut machen, unsere Kinder um Verzeihung zu bitten, weil wir Fehler nicht vermeiden können und unsere Kinder auch dadurch wichtiges lernen können. Wir sind alle Menschen und das darf auch so sein. Wichtig ist, wie wir damit umgehen.