Freitagspizza am 2. 11. 2018
Das Thema könnte, zugegeben, auch im Eltern sein Teil meines Blogs erscheinen, denn auch im Familienleben geht es ja nicht immer um Konfliktfreiheit, sondern darum, so zu streiten, dass am Ende niemand einen Kopf kleiner aus der Angelegenheit rausgeht. Das ist nämlich achtsam streiten. Mir gelingt das nicht immer, das sei gleich vorweg gesagt. Nicht als Mutter. Nicht als Ehefrau. Nicht als Freundin. Und schon gar nicht als Teilnehmerin an Debatten im Internet.
Ausufernde Debatten
Letztere sind es, die mich heute zu meiner Freitagspizza inspiriert haben. Denn das, was ich da in letzter Zeit lese, macht mich immer nachdenklicher. Es mag an der Art der Netzwerke liegen, in denen ich unterwegs bin – oder am Netz generell. Mir scheint, es geht immer nur darum, den anderen und dessen Meinung möglichst tief abzuwerten. Es geht viel zu selten darum, einmal zu zuhören und verstehen zu wollen. Die Debatte um den Film, dessen Name nicht genannt wird, ist irgendwann so aus dem Ruder gelaufen, dass sich ein renommiertes Onlinemagazin einen echten Shitstorm eingefangen hat, weil sie sich erdreistet haben, den Film und die Methoden nicht komplett zu verreißen. Das ist allein aus dem Grund unfair, weil die Gründerin dieser Seite immer wieder laut im Netz ist, wenn es um Kinderrechte geht und sie eigentlich der Marginalisierung von Gewalt gegen Kinder gänzlich unverdächtig ist.
Gerade spuckt meine halbe Twittertimeline Gift und Galle, weil sich bei einer Partei, die sie eh nicht wählen, ein Mann um den Vorsitz bewirbt, dessen berufliche Laufbahn nicht ihrem Weltbild entspricht. Der Mann hat inhaltlich noch keinen Ton gesagt, aber das muss er auch gar nicht, denn seine Biografie liefert genug Kritikpotential und deswegen wird vorsorglich schon einmal wild geschossen.
Bei sich bleiben, statt unter sich
Dabei bräuchte es in all den Debatten um Kinderrechte, Flüchtlingsfragen, Sozialpolitik und Klimaschutz, um nur einige zu nennen, doch endlich Dialog. Was bringt uns denn dieses Geballer aufeinander? Entfernt es uns nicht noch mehr voneinander und verschließen wir uns damit nicht immer tiefer in unserer eigenen Blase? Wäre der Weg nicht Zuhören, um wirklich verstehen zu wollen?
Achtsames Streiten heißt, bei sich zu bleiben. Zu spüren, dass einen etwas triggert. Egal ob es eine Aussage über Kinder ist oder das wirtschaftspolitische Profil eines Kandidaten für irgendeinen Vorsitz. Es bedeutet, die Gefühle, die etwas in uns auslöst, wahrzunehmen und anzunehmen. Und es bedeutet, sie genau so zu formulieren.
Es stört mich, wenn ein Kind als der größte Egoist auf Erden bezeichnet wird, weil es so einfach nicht den Tatsachen entspricht. Ich befürchte, dass jemand mit so einer Haltung nicht in der Lage ist, die Bedürfnisse zu sehen, die hinter dem Verhalten von Kindern stehen. Ich fürchte, dass es so schwer ist, konstruktive Eltern-Kind Beziehungen aufzubauen.
Der Gedanke, dass ein Mann aus der wirtschaftsfreundlichen Ecke Vorsitzender der größten deutschen Volkspartei werden könnte, ängstigt mich. Ich befürchte, dass sozialpolitische Überlegungen dann zukünftig zu kurz kommen und soziale Ungleichheiten im Land verstärkt werden.
Im Dialog bleiben
Mit solchen Sätzen zeigen wir uns und beziehen Stellung, ohne den Gegenüber abzuwerten. Mehr noch, wir geben Anlass zu weiteren Gesprächen. Auf solche Aussagen kann jemand antworten, ebenfalls Position beziehen – vielleicht sogar etwas entkräften. Am Ende müssen wir nicht einer Meinung sein, aber wir haben sicher etwas übereinander gelernt.
Achtsames Streiten bringt uns einander näher, auch dann, wenn wir nicht auf einen Nenner kommen. Wir bleiben im Gespräch, während wir uns bei gegenseitigen Abwertungen im Grunde vom Gespräch verabschieden.
(Foto: Inka Englisch)