Eltern sein, Familie leben

Elternschule – was auf den Film hätte folgen müssen

Eigentlich sollte es heute nicht um den Film Elternschule gehen – aber komme ich an diesem Thema derzeit wirklich vorbei? Mein Blog ist nicht der Ort, an dem ich mich und meine Denkweise rechtfertigen möchte. Erklären möchte ich sie angesichts der jüngsten Debatten um den Film aber doch.

Am allerliebsten zeige ich hier, was es bedeutet, mit Kindern bindungs- und beziehungsorientiert unterwegs zu sein. Ich hatte bisher nicht das Gefühl, besonders oft missverstanden zu werden. Klar, es gab den einen oder anderen Artikel, an dem sich auch mal gerieben wurde, aber ich hatte insgesamt das Gefühl, dass viele der Einstellungen zu Kindern, die ich hier vertrete, Allgemeingut geworden sind. Insgesamt, so empfand ich, setzt sich mehr und mehr eine Grundhaltung durch, die sehr positiv für unseren Umgang mit Kindern ist. Doch die öffentlichen Stimmen, die gerade im Streit um die Deutungshoheit über den Film laut werden, machen mich nachdenklich.

Viele Medien haben Elternschule recht unkritisch rezensiert, was ich gar nicht negativ bewerten möchte. Ich kann gut damit leben, dass jemand den Film sieht und zu einer anderen Einschätzung kommt als ich es vermutlich tun würde. Wobei ich sagen muss, dass ich mir noch kein abschließendes Urteil erlauben kann – ich habe den Film noch nicht komplett gesehen.

Was mich aber irritiert, ist das, was danach kam. Als besonders die Bloggerszene zu einem gänzlich anderen Eindruck kam und das auch laut kommuniziert hat und sich erste Experten sehr kritisch zu Wort gemeldet haben, hätte man ja die Chance nutzen können, die Kontroverse abzubilden und eine inhaltliche Debatte weiterführen können. Aus Gründen, über die ich gar nicht mutmaßen möchte, weil meine Ideen dazu viel zu düster sind, passierte genau das aber vielerorts nicht. Stattdessen legten manche Journalisten nach. Den Kritikern wurde nicht etwa eine faire Möglichkeit eingeräumt, ihren Standpunkt darzulegen, sondern sie wurden in Kommentaren und Beiträgen zerlegt (bspw. hier). 

Nun könnte ich auch das unter Meinungsfreiheit und Shit happens verbuchen, wäre dabei handwerklich anständig gearbeitet worden. Nur genau daran mangelte es leider. So wurden sowohl in überregionalen Tageszeitungen (bspw: hier in der Süddeutschen Zeitung)  als auch bei öffentlich-rechtlichen Medien (bspw. beim WDR) die Kritiker als Anhänger einer gefährlichen Ideologie, nämlich des „attachment parentings“, subsumiert. Dieses wurde äußerst einseitig als Methode eines evangelischen Kinderarztes aus den USA beschrieben, bei der es darum ginge, die Bedürfnisse der Kinder über die eigenen zu stellen und Kinder grenzen- und strukturlos aufwachsen zu lassen. Darauf folgte meist dann noch ein Hinweis, wie umstritten diese Methode sei.

Schlechter geht es kaum! Denn offensichtlich haben sich die Autoren nicht mit den Multiplikatoren auseinandergesetzt, die in Deutschland für diese Richtung stehen. Sonst hätten sie als erstes bemerkt, dass die meisten von ihnen keine Anhängerinnen von Sears (dem evangelikalen Kinderarzt) sind, sondern seine Idee weiterentwickelt haben und sich zum Teil sogar stark von ihm abgrenzen. Auch inhaltlich scheinen sie höchstens den Wikipedia Eintrag zum attachment parenting gelesen zu haben, – wenn überhaupt. Sonst hätten sie festgestellt, dass das, was die deutschen Vertreter dieser Richtung machen, das Gegenteil einer grenzenlosen und strukturlosen Elternschaft ist. Sie hätten dann festgestellt, dass es sogar sehr viel um Strukturen geht, genau wie um Halt und wie um Klarheit der Eltern gegenüber ihren Kindern.

Sie hätten auch lernen können, dass mitnichten die Bedürfnisse von Kindern über die eigenen gestellt werden sollen. Zumindest nicht regelmäßig und schon gar nicht dauerhaft. Es hätte wirklich ein kurzer Blick auf die Menschen gereicht, die in Deutschland für bindungs- (und beziehungsorientierte) Elternschaft stehen, und man hätte so viel mehr verstehen können.

Ein weiterer Vorwurf war, dass die Empörungswelle vor allen Dingen von Eltern ausgehe, die verlernt hätten, NEIN zu ihren Kindern zu sagen. Es macht mich tief betroffen, dass all diese tollen Menschen, die seit Jahren Bücher und Zeitschriftenartikel schreiben, die Interviews geben, bloggen, podcasten, beraten und Vorträge halten, anscheinend so wenig durchgedrungen sind. Ein Blick ins pädagogische Sortiment einer Buchhandlung hätte gereicht, um zu wissen, dass es hierum nicht geht.

Ich persönlich bin eine dieser Mütter, die für die stark kritisierte Richtung steht. Ich verorte mich selbst im Bereich der bindungs- und beziehungsorientierten Elternschaft. Ich habe mich von Katia Saalfrank zur Eltern- und Familienberaterin ausbilden lassen – und ich kann Euch versichern, um all diese Dinge geht es uns nicht. Oh ja – wir sagen NEIN und wir ermutigen auch unsere Eltern dazu. Oh ja, wir achten unsere eignen Bedürfnisse, weil wir wissen, dass wir nur dann gute Eltern sein können. Halt und Struktur waren mit die wichtigsten Themen in meiner Ausbildung. Und gerade diese Struktur im Familienleben ist hier auf dem Blog so oft Thema – ich glaube fast, es ist das heimliche Unterthema meines Blogs.

Und zusätzlich geht es uns noch um ein bisschen mehr. Um Wertschätzung zum Beispiel. Und um Gewaltfreiheit. Um Wärme, Liebe und Geborgenheit. Um einen Umgang auf Augenhöhe und um klare Führung. Um Dialoge statt Monologe mit unseren Kindern und darum, zu verstehen, was die kleinen Menschen uns sagen oder zeigen wollen. Dafür bedienen wir uns an wissenschaftlichen Erkenntnissen, die viele umtriebige Menschen schon seit Jahrzehnten für uns bereitstellen. Dafür schauen wir uns Methoden an, auch solche, die in Kliniken und bei ganz schweren Fällen angewendet werden. Darüber tauschen wir uns aus. Wir versuchen es in die Praxis einfließen zu lassen, in den alltäglichen Umgang mit Kindern. Sehr oft funktioniert es. Manchmal nicht. Manchmal scheitern wir mit unseren Gedanken, rennen mit unseren Ideen vor die Wand oder fallen hin. Dann helfen wir uns gegenseitig auf, gucken was passiert ist und probieren es neu.

So sind wir. Das macht uns aus und dafür stehen wir.

(Foto: Inka Englisch)

Fotos: Inka Englisch (Link)

Über mich:

Unternehmerin, Erziehungswissenschaftlerin, Familienberaterin, Autorin, dreifache Mama und vor allem für Sie und ihre Familie da.

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