Freitagspizza am 08.06.2018
Diese Woche war eine Frauenwoche. Sie war es bei uns zu Hause, weil unsere Männer aus dem Haus waren. Der Ehemann tummelte sich auf Kongressen und der große Junge war zum ersten Mal auf Klassenfahrt – und so war ich mit meinen beiden Mädels allein.
In diesen Nächten, in denen ich allein mit meinen Kindern bin, also ohne meinen Mann im Haus, merke ich immer wieder, wie viel wacher meine Instinkte sind. Als würde irgendwas in meinem Gehirn ganz ohne mein Zutun ein uraltes, in mir angelegtes, Muster aktivieren. Ich bin auf einmal besonders wachsam. Schlafe schlechter – und bin gleichzeitig entschlossener. Wenn ich den Laden hier allein schmeißen muss, dann läuft er. Ich kann morgens besser aufstehen, abends organisierter meine Pläne umsetzen und bin in meinen Ansagen so viel klarer als sonst. Gleichzeitig habe ich das Gefühl, immer ein wenig in Hab-acht Stellung zu sein. Der neue Paketbote, der zum ersten Mal kommt, wird etwas grimmiger angeschaut, als ich es normalerweise tun würde. Ich bin misstrauischer, wenn das Telefon mit einer unbekannten Nummer klingelt oder wenn jemand irgendwas ungewöhnliches von uns will.
Ähnlich muss es den Müttern in alten Jäger- und Sammlergemeinschaften gegangen sein, wenn sie einmal allein mit den Kindern zurück im Dorf blieben. Sie waren dann auf einmal beides – Hüter und Wächter des Dorfes und die Beschützer ihrer Kinder – und sie konnten das sein – oh ja, sie waren durchaus in der Lage, sich zu verteidigen, besonders wenn es darum ging, ihr eigenes Fleisch und Blut zu schützen.
Und doch war eine Frau allein oder vielleicht noch mit ihren Kindern, zu allen Zeiten der Weltgeschichte ein leichtes Opfer. Immer wieder badeten sie am eigenen Leib die Kriege und Zwistigkeiten der Männer aus. Allein und verlassen waren sie oft nicht mehr, als Kriegsbeute. Sie hatten nur eine Chance, dem etwas entgegen zu setzen, wenn sie zusammen hielten. Arbeiteten die Frauen im Dorf zusammen und setzten ihre unterschiedlichen Gaben ein, konnten sie sich verteidigen. Die urzeitlichen Clans bestanden nämlich nicht einfach nur aus hilflosen weiblichen Wesen an der Seite starker Kerle, die nur schön sein und mit den Augen klimpern konnten. Nein, Frauen mit unterschiedlichsten Gaben waren dort und alle wurden gebraucht.
Da waren die Kriegerinnen, die kämpfen konnten wie ihre Männer – die Bibel erzählt sogar von Frauen, die den Gatten darin weit überlegen waren. Da waren die geschickten Verhandlerinnen, die auf diese Art bekamen, was sie wollten. Da waren die, die Herzen erweichen konnten und halfen, dass ganze Völker Gnade fanden. Da waren die, die besonders feine Antennen hatten und Gefahr lange im Voraus spürten und so in der Lage waren, zu warnen und Vorbereitungen zu treffen. Da waren die, die besonders entschlossen waren und vorangingen und die, die eher zurückblieben und sich still und unbemerkt um die kümmerten, die es brauchten. Da waren die, die bereit waren, Opfer zu bringen – und die, die gut auf sich aufpassten. Gemeinsam bildeten sie starke Sippen, gemeinsam waren sie starke Mütter für ebenso starke Töchter.
Auch heute haben wir Frauen noch all diese Gaben – auch heute ist es gut, dass wir so unterschiedlich sind. Nur haben wir leider vergessen, dass das gut ist. Wir haben vergessen, uns für unsere Unterschiedlichkeit zu feiern und wir haben vergessen, dass wir einander genau deshalb brauchen. Was könnten wir erreichen, wenn wir die Tatsache annehmen würden, dass andere Frauen ganz andere Dinge gut können als wir und deswegen ganz andere Leben leben? Was könnten wir erreichen, wenn wir uns die Hand reichen würden, statt uns abzuwerten?
Wie toll es ist, gemeinsam mit anderen Frauen etwas zu schaffen, das durfte ich diese Woche auch wieder merken. Denn nicht nur privat war es eine Woche voller Frauenpower – auch in meiner Gemeinde durfte ich zusammen mit anderen wieder eine tolle Aktion auf die Beine stellen. Gemeinsam haben etwas Wunderbares geschaffen, weil wir unterschiedlich sind.
Da ist die Wuselige – voller Energie von morgens bis abends – sie ist die, die schon zwanzig Bänke irgendwo aufgestellt hat, bevor ich überhaupt meine Jacke ausgezogen habe. Da ist die Lebenserfahrene, die so viel Lockerheit mitbringt und uns erdet, wenn wir mal wieder viel zu perfektionistisch sind. Da ist die mit dem riesengroßen Herzen, wegen der alle immer wieder zu uns kommen und die für jeden ein offenes Ohr hat. Da ist die kluge Mahnerin, die uns auch mal sagt, wenn unsere Ideen den Pfad des Machbaren verlassen. Da ist die Lustige, die immer wieder alles auflockert, wenn es mal schwierig wird. Da ist die, die Ahnung von Zahlen hat und weiß, wann wir zuviel Geld ausgeben und die, die gerne ausgibt und dadurch immer wieder tolle Sachen für uns findet. Da ist die mit den feinen Antennen, die darauf achtet, dass sich keiner Unwohl fühlt – und da ist die Laute und Ehrliche, die kein Blatt vor den Mund nimmt und uns so voran bringt.
Wenn wir nicht gerade Veranstaltungen für Eltern und Kinder in unseren Gemeinden organisieren, sind wir alles Mögliche: Pädagoginnen, Bänkerinnen, Krankenschwestern, Hausfrauen, Künstlerinnen, Hebammen, Verkäuferinnen, Bloggerinnen. Mütter mit vielen oder wenigen Kindern, Kinderlose, Sportliche, Kräftige, Zarte, Langsame, Schnelle. Welche mit Karriere und welche ohne. Wir sind Vielfalt. Wir bereichern uns und wir sind alle genau so, wie wir sind, goldrichtig. Keine von uns wäre verzichtbar! Keine lebt das falsche Leben und nur zusammen sind wir wirklich stark!
Erzähl mir von den tollen Frauenpersönlichkeiten in deinem Leben – oder besser noch, lad doch nächste Woche mal eine tolle Frau, die ganz anders ist als du, auf eine Pizza ein!
(Foto: Inka Englisch)
Habe tatsächlich ein wenig Gänsehaut beim Lesen bekommen… Ein sehr schöner Text! Und du hast so Recht. Ich bin auch immer wieder begeistert davon, was geschehen kann, wenn wir unsere Verschiedenheit zusammenbringen und bewusst einsetzen.
Liebe Grüße,
Constanze
Liebe Daniela, danke für diese wunderschöne Beschreibung davon, wie unsere Besonderheiten uns gegenseitig bereichern können. Ich wünsche mir, dass es nicht erst einer Krisensituation bedarf, dass wir damit einander beistehen, anstatt uns zu “bekriegen”. Toll, dass das in eurer Gemeinde so läuft. LG Jojo