Vorletzten Donnerstag war einer dieser Morgende. Die Nacht war schlecht gewesen. Ein schlafloses Kindergartenkind hatte uns stundenlang auf Trapp gehalten und nachdem es endlich eingeschlafen war, träumte ich davon, dass ein waches Kindergartenkind mich auf Trapp halten würde – und dass Katia, meine bindungsorientierte Ausbilderin live dabei war und zusah und hinterfragte, wie ich dieses Problem löste oder besser gesagt nicht löste. Doch lange kann ich nicht geträumt haben, denn kurz nachdem das Kind endlich in den Schlaf gefunden hatte, klingelte für meinen Mann und mich schon wieder der Wecker.
An diesem Morgen war alles anstrengend. Die Blödelei der Kinder. Die Streiterei des großen Mädchens mit der Freundin im Hausflur. Der Mann, der mich 20 Mal fragte, wo Mützen, Schals und Handschuhe der Kinder seien.
Als endlich alle aus dem Haus waren, wartete ich auf die erleichterte Euphorie, die mich normalerweise in diesem Moment überkommt. Auf den Tatendrang. Auf den Wunsch, die Zeit bestmöglich zu nutzen und die lange Liste an Aufgaben abzuarbeiten. Doch nichts davon kam. Stattdessen kamen Zorn, Traurigkeit und Müdigkeit.
Missmutig holte ich meine Yogamatte runter ins Wohnzimmer. Ich hatte keine Lust auf meine Übungen und war mir sicher, dass ich sie trotzdem machen müsste. Ich war die ganze Woche nicht dazu gekommen – und das war gar nicht gut. Also begann ich – doch ich fand einfach nicht rein. Ich lag mehr flach auf der Matte, als dass ich trainierte. Irgendwie lief es nicht und nach 20 Minuten brach ich ab und wechselte aufs Sofa.
Da saß ich nun, in meiner Ecke, in der Ecke, in der ich schreibe, lese und bete. In der ich mich ausruhe, Pläne mache oder mit den Kindern auf dem Laptop schaue, was für neue Kinderserien auf Netflix sind.
Beten – das war alles, was mir einfiel. Still sein und zuhören, ob Gott irgendetwas zu diesem Thema zu sagen hat. Doch selbst das wollte nicht gelingen. Die Gedanken an all das, was gerade eigentlich zu erledigen war, ließen mich nicht los. Sie bestürmten mich im Rhythmus des Tickens der Wohnzimmeruhr. Tick – Kuscheltierkiste ausmisten – tack – einen Blogbeitrag vorbereiten – tick – die Küche aufräumen – tack – saugen – tick – die Abschlussarbeit fertig schreiben – tack – die Adventsdeko vom Dachboden holen – tick – die Adventskalender der Kinder aufhängen – tack – Fenster putzen – tick still werden.
Viele würden nun wohl sagen, dass Gott so nicht kommen kann, dass man so nicht mit ihm umgehen darf, dass man in der Lage sein muss, all das für ihn zur Seite zu schieben. Aber wisst ihr was? Das ist nicht wahr. Irgendwann spürte ich es trotzdem in mir – das wohlige Kribbeln und das Gefühl, gehört und gesehen zu werden. Das erleichternde Wissen, dass ich gar nicht alles schaffen muss, nicht mal meine Gedanken kontrollieren. Das Wissen, dass ich einfach sein darf, was ich bin.
Mein Gott, da bin ich sicher, ist ein Gott der bedingungslosen Annahme. Es gibt bei ihm kein “aber nur wenn du…” es gibt bei ihm nur ein großes allumfassendes JA. Er erwartet keine perfekten, starken Macher, denn er ist der perfekte starke Macher. Wir sind immer nur im Rahmen unserer Möglichkeiten einsatzbereit – und das ist okay. Meine Möglichkeiten an diesem Tag waren begrenzt – und Gott ist trotzdem an meiner Seite. Er stellt keine Bedingungen und er zieht sich auch nicht beleidigt ins Schneckenhaus zurück, wenn wir mal nicht aufmerksam sind. Er findet einfach Wege, sich Gehör zu verschaffen.
Mit dem Wissen, dass ich gar nichts muss, aber viel darf, ging es danach leichter in den Tag. Abgespeckter und mit mehr Selbstfürsorge. Losslassen bei Gott bedeutet für mich zu erkennen, dass ich Grenzen habe und dass das in Ordnung ist. Es heißt auftanken und danach neu sortieren, was wichtig ist und was warten kann. Denn jemand, der sich bedingungslos angenommen fühlt, kann über sich hinauswachsen, während jemand, der das Gefühl hat, genügen zu müssen, wie ein Reh im Lichtkegel ängstlich vor dem Berg stehen bleibt, statt einen Schritt nach dem nächsten zu tun.