Eltern sein, Familie leben

Familienalltag wenn Papa ganz weit weg ist

Bei uns sind am vorletzten Wochenende so viele Tränen geflossen, dass ich zwischendurch befürchten musste, dass gleich Noah auf der Arche angeschippert kommt, um die restlichen Tiere einzusammeln – und das hatte auch einen Grund. Mein Mann ist für neun Tage nach China geflogen. Nun ist diese Zeit überstanden, der Liebste ist wieder hier und ich habe beschlossen, das Thema einmal auf dem Blog aufzugreifen.

Für Kinder sind solche Tage oft ungeahnt schwer. Bei uns ist es so, dass wir öfter einmal ein paar Tage ohne Papa im Haus sind. Das war schon immer so und die Kinder und ich sind es gewohnt und wir haben so unseren Rhythmus gefunden. Seine Reise ans anderer Ende der Welt war jedoch etwas anderes. Zum einen, weil sie länger als gewöhnliche Geschäftsreisen dauerte. Zum anderen, weil China uns einfach u-n-g-l-a-u-b-l-i-c-h weit weg erschien, denn es ist eine völlig andere Zeitzone und wir wussten nicht einmal, über welche Kanäle wir kommunizieren können würden.

Anders als wir Erwachsenen haben Kinder zudem noch weniger Vorstellungen von Zeit und Raum. Für uns sind neun Tage zwei wuselige Wochenenden und eine ganz normale Alltagswoche, die wie im Flug vergeht. Für Kinder sind neun Tage ein unüberschaubar langer Zeitraum. Dazu kommt, dass sich Kinder oft sehr hilflos fühlen, wenn ein Elternteil für längere Zeit weg muss. Meistens werden sie nämlich nicht gefragt, ob sie es okay finden, dass Mama oder Papa um die halbe Welt fliegen und längere Zeit abwesend sind – und würde man sie fragen, würden die meisten von ihnen sehr ehrlich antworten: Selbstverständlich fänden sie es nicht in Ordnung!

Was kann man also tun, um Kindern solch eine Zeit zu erleichtern? Ich würde Euch gern ein paar Punkte mitgeben, die uns geholfen haben und die ich zudem aus meiner pädagogischen Arbeit heraus für wichtig halte:

  1. Vorbereitung
    Wenn ein Elternteil einen längeren Aufenthalt weit weg plant (und was lange und was weit weg ist, wird jede Familie für sich unterschiedlich definieren, weil es immer im Verhältnis zu dem steht, was die Eltern normalerweise tun), sollten die Kinder dies rechtzeitig vorher erfahren dürfen.
    Ich höre manchmal von Eltern, dass sie so etwas bewusst lange nicht erzählen, damit die Kinder nicht schon vorab traurig oder nervös sind.
    Ich kann den Gedanken dahinter nachvollziehen, denn in der Tat wird die Vorbereitung auf solch eine Zeit nicht unbedingt entspannter, wenn die Kinder ebenfalls in nervöses Reisefieber verfallen. Doch wenn wir uns einmal in die Lage der Kinder versetzen wird deutlich, warum wir sie trotzdem einbeziehen sollten. Stellt euch vor, euer Partner oder eure Partnerin käme eines morgens mit einem großen Koffer die Treppe herunter und würde sagen, dass er nun in die USA fliegt und in 14 Tagen zurück sei – und das würde euch völlig unvermittelt treffen. Wie wäre das? Kämt ihr euch nicht veräppelt vor? Ihr würdet euch wahrscheinlich ziemlich erschrecken und auch traurig sein und vielleicht würdet ihr fortan immer damit rechnen, dass das gleich wieder passieren könnte. Genauso geht es den Kindern, mit dem Unterschied, dass sie die Reise von Vater oder Mutter nicht nur als Ärgernis, sondern als potentiell bedrohlich wahrnehmen. Sie fragen sich, wer sich zukünftig um sie kümmern wird, wer die Aufgaben übernimmt, die sonst Papa bzw. Mama übernommen hat und wie der Alltag ablaufen wird. Es ist gut, all dies vorher mit ihnen zu besprechen.
  2. Verlässlichkeit
    Die Kinder sind meistens tatsächlich einfach nur durch den Wind, wenn ein Elternteil ungewöhnlich lange und ungewöhnlich weit weg geht. Da ist es gut, wenn ihr Alltag ansonsten relativ normal und verlässlich weiter läuft. Für das daheim gebliebene Elternteil ist es sehr verlockend, diese Zeit möglichst stark zu füllen und viele Höhepunkte unterzubringen, damit sie gefühlt schneller rum geht und es ist auch total in Ordnung, die eine oder andere besondere Unternehmung einzuplanen. Der familiäre Alltag sollte aber, wenn möglich, nicht völlig ins Wanken geraten. Für unsere Kinder dient er nämlich als Sicherheitsnetz. Ruhe und Frieden in einer solchen, für sie aufwühlenden, Zeit finden sie nicht in einer Aneinanderreihung von Freizeitspaß, sondern in ihren gewohnten Abläufen, wenn das Abendessen zur selben Zeit wie immer auf dem Tisch steht, die Gute-Nacht Geschichte trotzdem vorgelesen wird und die Nachmittage in etwa so strukturiert sind, wie in einer ganz normalen Woche. Denn die Kinder müssen erleben und abspeichern, dass all das notfalls auch dann einmal funktioniert, wenn nicht beide Eltern greifbar sind.
  3. In Kontakt bleiben
    Ich glaube, die meisten Eltern versuchen dies sowieso. Je nach Reiseland und dem, was der Reisende dort unternimmt, ist das aber manchmal gar nicht so leicht. Trotzdem tut es allen Beteiligten gut, sich ab und zu miteinander zu vernetzen. Ein Telefonanruf zu einer Zeit, die für alle Seiten passt, Nachrichten und Fotos über den Messenger oder über Skype. Irgendetwas sollte es für die Kinder geben, was ihnen zeigt, dass Mama oder Papa nicht wirklich aus der Welt ist und doch irgendwie greifbar.
    Diesen Kontakt sollte man auch dann nicht scheuen, wenn man das Gefühl hat, dass die Kinder danach trauriger sind, als vorher. Denn oft sind die Tränen nach einem Telefonanruf oder dem Skypen oft nur Ausdruck einer Traurigkeit die sowieso da ist.
  4. Verbindung schaffen
    Gerade wenn ein Elternteil so richtig weit weg ist, in einem den Kindern unbekannten Land, ist es schön, eine gewisse Verbindung dazu herzustellen. Kinderbücher des Reiselandes, Fotos aus dem Netz, ein Besuch in einem damit verwandten Museum oder ein Essen, das es in Papas oder Mamas Reiseland auch geben könnte, macht die Kinder neugierig auf das, was das Elternteil tut und gibt ihnen das Gefühl, sich ebenfalls mit dieser Reise beschäftigen zu können, statt ausgeschlossen zu sein. Unsere Rettung war eine liebe Freundin, die lange in Peking gelebt hat und uns ein Kinderbuch und ein Puzzle vorbei gebracht hat.
  5. Traurigkeit ernst nehmen
    Und trotzdem – so eine ungewohnt lange Abwesenheit eines Elternteils sorgt einfach dafür, dass die Kinder gelegentlich traurig sind. Alles andere wäre doch seltsam – und hey, sind wir ehrlich, selbst für uns Große ist es doch nicht leicht – ich habe jedenfalls einige Liter Wasser zur nahenden Sinnflut dazu gegeben, während mein Schatz und Fels in der Brandung am anderen Ende der Welt war.
    Ihre Traurigkeit können wir den Kindern daher nicht nehmen und wir sollten es auch nicht versuchen. Stattdessen ist es wichtig, ihr Raum zu geben, wann immer sie nach draußen will und unseren Kindern zu zeigen, dass diese Traurigkeit verständlich ist und da sein darf. Wir sollten sie nicht runterspielen und auch nicht versuchen, sie unseren Kindern auszureden, ein “Ach, ist doch nicht so schlimm, Papa kommt doch bald wieder” hilf ihnen nicht, denn in dem Moment ist es schlimm für sie. In diesem Moment helfen dann nur unsere offenen Arme und die Tatsache, dass wir die Traurigkeit zusammen mit unseren Kindern aushalten.

 

2 Kommentare zu „Familienalltag wenn Papa ganz weit weg ist“

  1. Ein sehr guter Beitrag!
    Wir kommen ab und an auch in die Situation, dass mein Mann für wenige Tage mal nicht da ist und besprechen das auch mit den Kindern vorab. Ich finde es immer wichtig, die Kinder und ihre Gefühle und Empfindungen ernstzunehmen und nicht herunterzuspielen – deine Tipps sind da sehr passend.
    Was mir als weiterer Tipp noch eingefallen ist: Das Wiedersehen feiern – z.B. mit einem besonderen, leckeren Familienessen – das bietet dann auch gleich eine gute Möglichkeit sich über die vergangene Zeit zu berichten und der Gereiste kann auch von seinen Eindrücken erzählen.

    Gestern habe ich, beim Badputzen, deinen Podcast gehört und war sehr angetan davon. Danke für deine Inspirationen und die Erinnerung, dass Sankt Martin mehr ist als Laterne und Mantel teilen – ich überlege nun noch, wie ich mit den Kindern Sankt Martin zu Hause thematisiere/feiere und suche noch ein schönes, gutes Kinderbuch dazu. Hast du einen Tipp?

    Herzliche Grüße Katharina

    1. Hey. Danke für deinen Kommentar. Leider sehe ich ihn erst jetzt, seit dem Blogumzug läuft irgendetwas mit den Blogbenachrichtigungen schief. Es gibt aus der Rica-Reihe eine Geschichte über St. Martin. Kennst du diese Reihe? Rica das Schaf erzählt da wunderbar über alle möglichen Feiertage. Liebe Grüße

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Fotos: Inka Englisch (Link)

Über mich:

Unternehmerin, Erziehungswissenschaftlerin, Familienberaterin, Autorin, dreifache Mama und vor allem für Sie und ihre Familie da.

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