Vorweg – ich kenne viele Frauen, die mindestens ein K in meiner Überschrift für ihr Leben streichen würden und es durch Karriere ersetzen und die ich genau dafür sehr schätze, deren Lebensentwurf ich völlig okay finde – und den ich selbst nicht leben wollen würde.
Ich habe mich, wie ihr wisst, denn ich habe schon öfter darüber geschrieben, für einen völlig anderen Lebensweg entschieden. Ich habe meine gut laufende Karriere als wissenschaftliche Mitarbeiterin nach dem dritten Kind an den Nagel gehangen und gegen ein Leben getauscht, in dem seither Kinder, Küche und Kirche eine große Rolle spielen. Es ist nicht so, dass es diese drei Ks nicht auch vorher schon gegeben hätte. Ich bin zu der Zeit, als der Entschluss in mir reifte, bereits sechs Jahre lang Mutter gewesen, noch länger eine leidenschaftliche Köchin und eben auch Christin. Doch sie waren damals nur drei von sehr vielen Ks in meinem Leben – wer mich schon richtig lange online kennt, erinnert sich vielleicht noch an meinen allerersten Blog: Ich war die Zweibeinerin mit den 10 Ks.
Damals – als frisch gebackene Mutter eines Sohnes hatte ich ziemlich viele Ambitionen – und noch mehr Trugbilder in meinem Kopf. Ich bin war ganz fest überzeugt vom Alles-ist-möglich-Mantra, das um mich rum gerade zum ersten Mal richtig im Fahrt kam und innerhalb kürzester Zeit meine ganze Generation überrollte – und nicht wenige von uns in den Burn-Out stürzte. Damals identifizierte ich mich mit Frauen wie Sheryl Sandberg und glaubte daran, dass man sich nur genügend anstrengen müsse. Heute sind meine Vorbilder alltäglicher. Heute sind es Frauen wie Svenja Walter, Veronika Smoor oder Martha, die mein Herz höher schlagen lassen, weil sie Wege aufzeigen, in denen Frauen wirklich zuerst einmal Mütter sein dürfen – und alles andere danach.
Ich selbst wurde nicht gezwungen, einen solchen Weg einzuschlagen, ich habe einfach auf mein Herz gehört. Ich war in keinem familienfeindlichen Arbeitsumfeld gefangen, sondern hatte die besten Kolleginnen der Welt. Ich hatte keinen Mann, der zum vierten Kind an meinem Esstisch wurde, sondern so einen echten Kerl, der daheim mit anpackte und der Frau den Rücken frei hielt und das Kind zum Stillen ins Büro brachte, als diese nach sieben Monaten gern wieder arbeiten wollte. Mir fehlte es auch nicht an Infrastruktur in der Kinderbetreuung, denn mein Wohnort ist dahingehend vorbildlich aufgestellt – und die Großeltern waren auch noch in der Nähe.
Mir fehlte es schlicht und ergreifend an etwas anderem.
Es fehlte mir an der Möglichkeit, wichtige Momente im Leben meiner Kinder jederzeit wiederholen zu können. Es fehlte mir am eingebauten Rücklauf-Knopf und an der Pausetaste, mit der ich alles anhalten konnte, was sie taten und erlebten und es aufheben, bis mein Arbeitsleben mir die Zeit dafür ließ.
Und das war ein Umstand, den ich so nicht auf dem Schirm hatte. Das war etwas, worüber Sheryl Sandberg leider nichts geschrieben hatte. Das war etwas, was keine Kita, kein Ehemann und keine Kollegin dieser Welt mir jemals wiedergeben konnten – und es war etwas, was ich unbedingt haben wollte.
Und so tauschte ich – die 10Ks gegen drei. Das Büro gegen die Windeln, die Kaffeepause mit den Kolleginnen gegen einen schnellen Latte in der Küche, bevor die Kinder abgeholt werden mussten, den Seminarraum und die Studenten gegen eine Eltern-Kind Gruppe im Gemeindehaus. Es war ein guter Tausch und ich kann heute sagen, dass ich unglaublich viel gewonnen habe.
Glaubt man jedoch einer im Netz tonangebenden Masse von anderen Frauen, die gerade wieder besonders laut schreit, bin ich eine Verliererin auf der ganzen Linie. Ich leiste keinen produktiven Beitrag mehr zu unserer Gesellschaft, ich bin abhängig von meinem Mann und ich begebe mich sehenden Auges in die Altersarmut. Schlimmer noch, ich werfe undankbar all die Dinge weg, die andere Frauen mit Blut, Schweiß und Tränen für mich erkämpft haben – und ich bin auch noch stolz darauf. Ich gehöre eigentlich ausgestopft und in einem Museum ausgestellt, in einem rot-schwarz gepunkteten Petticoat mit weißer Spitzenschürze drüber, denn ich bin aus der Zeit gefallen.
Liest man die Wahlprogramme aller derzeit wählbaren Parteien (ich lasse eine hier bewusst raus), bekommt man es schwarz auf weiß: Traditionelle Rollenmodelle, wie wir sie derzeit leben, sind nicht mehr erwünscht und müssen mit allen zur Verfügung stehenden Instrumenten überwunden werden.
Nun, wäre ich die einzige Frau weit und breit, die so lebt, wie ich es tue, würde ich mich jetzt vielleicht intensiv untersuchen lassen und in Erwägung ziehen, dass etwas mit mir nicht stimmt. Die Sache ist nur die: Ich bin nicht allein. Es gibt mehr von meiner Sorte, als man denkt. Ein nicht geringer Teil von Euch nämlich, von meinen treuen Leserinnen, lebt genau dieses Frauenleben. Das Netz ist voll von Geschichten von Frauen, die anders leben wollen und die auf der Suche nach ECHTER Vereinbarkeit und ECHTER Wahlfreiheit sind. Das sind keine Frauen, die aus der Zeit gefallen sind, die daheim am Ofen verblöden oder irgendwie retro sind – das sind taffe Mädels, die die Ärmel hockkrempeln, die kreativ sind, die mehr Ahnung davon haben, wie man im Netz sichtbar wird, als mancher zwanzigjähriger Youtuber. Das sind Frauen, die sich einfach gedacht haben, dass es noch irgendwas anderes geben muss, als die schönsten Jahre des Lebens damit zu verbringen, hundert Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten. Ich bewundere diese Frauen und ich glaube, dass sie uns den Lebensentwurf der Zukunft zeigen und dass sie einmal echte role models für eine neue Frauengeneration werden können, die der Alles-ist-möglich Lüge nicht mehr aufsitzen möchte.
Einstweilen müssen sich diese Frauen allerdings verspotten lassen. Sie müssen mit anhören, wie Politiker der festen Überzeugung sind, besser zu wissen, was gut für sie und ihre Kinder ist. Sie müssen im Netz allerlei Beschimpfungen und Vorurteile lesen und sie müssen damit leben, dass niemand Politik für sie macht – dass alle sie einfach übersehen.
Mich hält das nicht davon ab, meine neuen Wege weiterzugehen. Ich liebe mein Kinder, Küche, Kirche Gedöns, ich liebe mein kleines Business, das ich mir nebenbei und in meinem Tempo aufbaue und ich liebe mein ehrenamtliches Engagement in der Gemeinde. Ich brauche keinen, der mir sagt, dass das so eigentlich nicht geht. Ich brauche Menschen um mich herum, die mir Mut machen und mich inspirieren und ich hoffe umgekehrt, anderen ebendies auch mitgeben zu können. Deshalb bin ich hier. Deshalb schreibe ich. Deshalb stelle ich diesen Artikel heute ins Netz – mitten in der Mütter-Bashing-Hochsaison (aka Wahlkampf).
Mädels – lasst uns unsere Wege gehen, die von den anderen sind viel zu ausgetreten!
Und keine Kegel? Dein Wortspiel war ja ne Steilvorlage…?
Ich könnte soviel dazu schreiben, finde aber gerade nicht die richtigen Worte.
Zwei Worte sind mir zu deinem superguten Text sehr wichtig: Amen und Danke!!
Mir geht es sehr ähnlich wie dir (wobei ich keine Karriere/Job) hatte. Ich habe in den letzten Monaten beschlossen auch das bisschen Berufsleben (Vertretung) das ich hatte ganz aufzugeben und es tut so gut.
Wie du, genieße ich die 3 Ks auch sehr (das dritte ist bei mir allerdings nicht direkt Kirche, sondern andere Ehrenamtliche Tätigkeiten, das Prinzip aber das gleiche 🙂 )
Vielen Dank für diesen Text!
Katharina