Wenn wir Kinder ins Leben begleiten – was ich persönlich einen viel schöneren Gedanken finde, als sie zu “erziehen”, stellen sich uns immer wieder viele Fragen. Was wollen wir den kleinen Menschen mitgeben, auf ihrem Weg hinaus in die Welt? Wie wollen wir sie stark machen, für das, was in Zukunft auf sie wartet? Wie wollen wir sie vorbereiten auf eine Welt, in der wir heute schon nicht mehr sicher voraussagen können, was morgen passiert? Was sollen wir ihnen mitgeben in ein Leben, dass sich scheinbar täglich überschlägt und wie können wir christlich erziehen?
Wenn wir selbst zu den Menschen gehören, die Halt, Trost, Kraft und Anleitung aus ihrem Glauben und ihrem engen Beisammen sein mit Jesus schöpfen, dann liegt es nahe, dass wir dies auch unseren Kindern mitgeben wollen. Wir suchen schon früh nach Wegen, sie mit Gott in Kontakt zu bringen. Kindergerechte Bibelgeschichten, Gottesdienstbesuche, gemeinsame Gebete am Familientisch oder am Abend, all das gehört bei vielen christlichen Familien zum Alltag und ist eine Form, den eigenen Glauben weiterzuvermitteln.
Die Studie Zwischen Furcht und Freiheit – das Dilemma der christlichen Erziehung hat ergeben, dass der Wandel der Erziehungsstile, hin zu einem moderneren, offeneren, freien und liebevollen Umgang mit Kindern auch in christlichen Familien längst stattgefunden hat. In vielen Bereichen des Lebens unterscheiden wir uns nicht mehr allzu sehr von anderen Familien. Doch es gibt eine Ausnahme, einen Bereich, in dem viele Familien die Freiheit und die Selbstentfaltung ihrer Kinder gerne einschränken würden – und zwar, wenn es um deren eigenen Glauben geht. Beten am Tisch oder zur Nacht, der Besuch des Gottesdienstes oder die Teilnahme am Konfirmantenunterricht sind dann eben doch keine freien Entscheidungen der Kinder und Jugendlichen mehr, sondern entstehen aus Zwang heraus. Dieser Zwang wiederum hat seine Wurzeln in einer tiefen Furcht der Eltern. Der Furcht davor, dass ihre Kinder den Pfad des christlichen Glaubens verlassen könnten. Was, wenn wir unserem Kind die Vielfalt der Möglichkeiten präsentieren und es tatsächlich wählt – und zwar etwas anders? Hätten wir es dann nicht für alle Ewigkeit verloren gegeben? Wäre es nicht an uns gewesen, es dort zu halten, wo wir es für richtig halten? Ist es nicht sogar unsere Pflicht als christliche Eltern, unsere Kinder mit allen Mitteln bei Jesus zu halten – und notfalls mit Gewalt?
Diese Überlegungen, die sich ebenfalls in der benannten Studie der Professoren Faix und Künkler finden lassen, sind zwar nachvollziehbar – aber auch irrational. Völlig irrational! Zum einen unterschätzen wir dabei unsere eigene Vorbildfunktion und die große Macht der Grundsteine, die wir in frühen Jahren in unsere Kinder hinein legen. Denn es ist so – ein positiv erfahrener Glaube WIRD unsere Kinder ihr Leben lang prägen, selbst dann, wenn wir das Gefühl haben, dass sie sich völlig davon losgesagt haben. Es kommt also vielmehr darauf an, was wir vorleben. Wie authentisch wir selbst in unserem Glauben stehen. Wie gut wir ihn aus Kraftquelle und als Inspiration vermitteln können. Jeglicher Zwang wird dem entgegen wirken und wäre somit kontraproduktiv. Wenn wir selbst mit strahlenden Augen von Jesus erzählen können, werden unsere Kinder das aufnehmen und es wird sie mehr und tiefer prägen, als jeder erzwungene Gang in den Gottesdienst, jedes Gebet am Esstisch und jedes Verbot im Namen Gottes. Man stelle sich vor: Es gibt Kinder, die, obwohl sie in Nordhessen aufwachsen, glühende Anhänger von erfolglosen Fußballvereinen wie dem 1. FC Nürnberg werden und das nur, weil sie einmal den Glanz in den Augen ihrer Väter gesehen haben, wenn die vom Glubb berichtet haben. Nun ja, Jesus hat an einem Wochenende mehr erreicht, als der depperte Glubb in seiner ganzen Vereinsgeschichte. Das sollte uns Hoffnung geben, oder?
Und damit sind wir beim zweiten Punkt, der klarmacht, warum unsere Ängste jeglicher Grundlage entbehren. Jesus! Wir unterschätzen Jesus, wenn wir glauben, er würde unsere Kinder, die wir einst unter seinen Schutz gestellt haben, aus den Augen lassen, nur weil diese andere Entscheidungen treffen. Halten wir diesen Mann, nach allem, was wir von ihm wissen, für so kleinkariert und engstirnig, dass er sich wie eine beleidigte Leberwurst in sein Schneckenhaus zurückziehen wird, nur weil jemand nicht von klein auf und unablässig seinem Pfad folgt, ohne nach rechts und links zu sehen? Dann haben wir die Geschichten über ihn nicht verstanden. Dann haben wir genau genommen gar nichts verstanden und sollten selbst noch einmal von vorne anfangen und uns fragen, ob wir eigentlich noch auf dem richtigen Weg sind. Jesus hat uns nicht aufgetragen, Menschen zu zwingen oder in Schablonen zu pressen, in die sie nicht passen – schon gar nicht unsere Kinder! Er hat uns aufgetragen, etwas vorzuleben und ihm zu folgen und so viele am Wegesrand einzusammeln, wie uns möglich ist. Dabei ging er davon aus, dass diejenigen am Wegesrand längst bereit waren, ihm zu folgen, weil sie gesehen haben, wie großartig er ist und nicht, dass man sie mit vorgehaltener Waffe oder Taschengeldentzug dazu bewegen musste.
Ich glaube, dass selbst die letzte Minute im Leben eines Menschen, ja, sogar der letzte Atemzug einen Unterschied machen kann – und ich glaube, dass Jesus dann zugegen ist und seine Mittel und Wege hat, diesen Unterschied entstehen zu lassen. Ich glaube, dass all diejenigen, die Jesus als kleine Kinder kennenlernen durften, ihn erkennen werden, wenn er sie zurückruft – ganz egal, wann das sein mag.
Es ist doch so – viele Menschen, die gar nichts von Jesus wussten, haben ein Leben in seinem Sinne gelebt – und viele die von ihm wussten, haben das dennoch nicht getan. Wir können als Eltern nicht vorgeben, welchen Weg unsere Kinder nehmen, das wäre vermessen. Wir können uns nur überlegen, was wir in ihrem Herzen verankern wollen, solange sie noch klein sind. Was sollen unsere Kinder lernen? Welche Werte möchten wir ihnen vermitteln? Die Geschichten von diesem Jesus sind das eine. Sie sind schön, sie sind bereichernd, sie sind wichtig. Dennoch sind sie nicht alles. Es ist eher die Art und Weise, wie wir selbst durchs Leben gehen, die auch den Weg der Kinder prägen wird. Können wir gut vergeben? Lieben wir? Lieben wir uns selbst? Lieben wir die Nächsten, auch wenn sie komisch sind und stinken? Lieben wir die, die uns anvertraut wurden, also allen voran unsere Kinder, bedingungslos? Sind wir gütig, selbst dann, wenn jemand diese Güte vielleicht gar nicht verdient hat? Sind wir offen und freundlich auch zu denen, die aus unserer Sicht das völlig falsche Leben leben? Kümmern wir uns um andere? Können wir selbstlos sein? Erhalten wir Gottes Schöpfung – oder tragen wir zumindest einen ganz kleinen Teil dazu bei, sie etwas langsamer zu zerstören? Kurz – lassen wir unsere christlichen Überzeugungen für unsere Kinder spürbar und lebbar werden?
Ich glaube, wenn wir die Fähigkeit zu lieben tief in den Herzen unserer Kinder verankern und wenn wir sie spüren lassen, dass unsere Liebe genauso wenig wie Jesus’ Liebe an Bedingungen geknüpft ist, dann haben wir schon ganz viel erreicht. Dann haben wir genauer gesagt all das erledigt, was wir erledigen können. Unser Anteil an der Geschichte zwischen Jesus und unseren Kindern ist damit geleistet – alles andere müssen die beiden allein regeln. Wir können nur noch eins tun – vertrauen! Wie wir in jedem anderen Bereich des Lebens auf Jesus vertrauen dürfen.
Und ja natürlich ist da noch mehr – genau wie sich der nordhessische Junge im Stadion des Glubbs auch deshalb wohlfühlt, weil die Stimmung gut ist und Lieder gesungen werden, die unter die Haut gehen, hat auch die Gemeinde einen Einfluss darauf, wie unsere Kinder Glaube erleben. Die Gemeinde kann ein Teil des oben erwähnten Grundsteins sein – besonders wenn sie lebendig ist, einladend und offen und wenn sie unsere Kinder da abholt wo sie stehen. Das Suchen oder Mitgestalten eines solchen Ortes kann hilfreich sein – aber am Ende bleibt es immer und egal wie nur eins: Ein Ding zwischen Jesus und unseren Kindern.
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