Wenn die Eltern eine Pause brauchen
Ich glaube, das kennen wir alle. Die Zeit, die wir in unseren Köpfen als “Feierabend” definiert haben, ist längst rum – und wir schieben Überstunden. Überstunden am Kinderbett. Weil die Kinder noch Durst haben, Hunger, Angst vor Monstern oder einfach nicht allein sein wollen. Weil sie weinen, ohne das wir den Grund wirklich erkennen können. Weil sie uns immer wieder rufen oder alle paar Minuten im Wohnzimmer stehen, um uns zu sagen, dass sie nicht einschlafen können. Manchmal geben wir uns der Phantasie hin, diese Zeit sei vorbei, weil sie schon fünf sind oder sieben – oder zehn – und weil es vielleicht mal ein paar Monate lang nicht so war. Doch dann kommt es wieder. Manchmal für uns aus heiterem Himmel. Wir verstehen nicht, warum sie uns auf einmal wieder brauchen, während sie tagsüber doch so selbstbewusst ihre Wege gehen. Vielleicht ist das aber, genau das, der Grund, warum sie sich abends auf einmal wieder nach Nähe sehnen. Nach einer Hand, die ihnen übers Haar streichelt und flüstert, dass alles gut wird. Nach einem Arm, in den sie die unverarbeiteten Erlebnisse des Tages weinen können. Nach einem Ohr, das zuhört, wenn plötzlich alles aus ihnen heraus bricht, was sie tagelang nicht erzählen wollten. Manchmal ist es auch subtiler. Es scheint keinen Grund zu geben. Sie haben nichts zu erzählen, nichts zu beweinen und suchen dennoch unsere Nähe. Wollen unsere warmen und Sicherheit gebenden Körper neben sich beim Einschlafen. Wollen, dass wir ihre Hände halten oder kommen einfach immer wieder runter, um uns zu sehen und sich zu vergewissern, dass wir noch da sind und ihre Welt noch steht.
Manchmal machen wir das gern, besonders wenn diese Momente selten sind. Dann fällt es uns leicht, diese Nähe zu geben – wir können sie sogar genießen. An anderen Tagen – und ich denke, das geht uns auch allen so – da fällt es uns schwer. Da kochen wir innerlich, wenn schon wieder ein Maaaaaaaaaama aus den Kinderzimmern schallt, wenn die Treppenstufe knarrt oder wenn sie uns einfach nicht aus dem Zimmer gehen lassen. Wenn sie jedes Mal, wenn wir glauben, dass sie fest schlafen, wieder nach uns greifen, wenn ihr Schrei ertönt, sobald wir die Tür hinter uns schließen. Wenn wir immer und immer wieder gefordert sind. Gerade, wenn die Kinder noch klein sind, können solche Phasen lange dauern, Wochen, Monate, scheinbar endlos. Wir fühlen uns gefangen. Gefangen in einer Schleife aus Fürsorge und Wut. Gefangen und hilflos. Wir merken mit jedem Tag mehr, wie sehr wir diese Zeit brauchen, diese Abendstunden nur für uns. Für unsere Hobbys, ein Buch, eine Folge unserer Lieblingsserie, ein Gespräch mit dem Partner oder einfach nur, um früh ins Bett zu gehen. Doch sie wird uns verwehrt. Verwehrt von kleinen Menschen, die selbst hilflos sind und uns in diesen Situationen so übermächtig erscheinen. Es scheint, als gäbe es kein entkommen. Während wir merken, wie unser kleines bisschen Freizeit am Abend verrinnt, geben die Winterhoffs und Kast-Zahns in unseren Köpfen eine Pressekonferenz und über ihnen hängt ein Plakat von Johanna Haarer. Bald glauben wir selbst, dass wir an dieser Situation schuld sind und ihre Mittel, diese Situation zu beenden, erscheinen plötzlich so logisch und stimmig. Glücklicherweise sind wir nicht dafür gemacht – und so stehen wir schnell wieder im Zimmer, das wir mit dem festen Vorsatz verlassen hatten, nun hart zu bleiben und Ruhe zu suchen. Besser wird es trotzdem nicht.
Doch wie kann es besser werden? Ist es die Zeit, auf die wir hoffen müssen? Ja und nein. Denn wie ich oben schon schrieb, glauben wir manchmal nur, dass es vorbei ist und dann merken wir, dass es noch lange nicht zu Ende ist. Dass unsere Elternschaft nicht nur zwei oder drei Jahre oder bis zur Einschulung dauert. Dass uns auch Siebenjährige brauchen und Zehnjährige – und wenn ich meiner Freundin, einer Mutter von zwei Teenagern, glauben darf, dann suchen auch die sich gern die späten Abendstunden aus, um im Herz auszuschütten – und manchmal, ja manchmal brauchen selbst sie noch Mamas Hand zum Einschlafen. Das ist der Preis unserer guten Bindungs- und Beziehungsarbeit. Oder doch eher ihr Lohn?
Doch was hilft dann? Ich habe viel gelesen, viel nachgedacht, bin oft verzweifelt. Ich habe geweint, geschrien, erduldet, nach schlauen Tipps gesucht. 1000 Antworten erhalten, ebenso viele habe ich verworfen. Nur eine, die hat wirklich etwas verändert. Sie stammt von Susanne Mierau und man findet sie in ihrem tollen Buch Geborgen wachsen.
Lebe so – gestalte deinen Alltag so, dass der Abend nicht deine einzige Pause ist. Entschlacke deine Tage, schaff Pausen, triff Regelungen mit deinen Kindern, finde Orte und Zeiten, an denen Du Du sein kannst. Allein für Dich. Lesend auf der Couch, surfend im Netz, spazieren gehend, ungestört. Such nach Hilfe, nimm sie an, fühl Dich nicht schlecht dabei. Sammele Kraft zu allen Zeiten, an denen es geht, dann hast Du sie, wenn Du gebraucht wirst.
Die meisten Mamas und Papas werden dem wohl zustimmen – und gleichzeitig finden, dass es fast unmöglich zu realisieren ist. Doch ich kann Euch nur ermutigen, es anzugehen. Manchmal kann ein guter Tagesplaner hilfreich sein, in dem man bewusst diese Pause bedenken kann (schaut zum Beispiel mal hier bei Veronika Smoor). Manchmal sind es feste Dates mit sich selbst – zum Beispiel am Mittwochvormittag, wenn für zwei Stunden die Oma oder die Freundin oder der Babysitter kommt. Oder am Donnerstagabend nach der Arbeit, wenn ihr einfach einmal nicht nach Hause geht, sondern tut, was immer ihr möchtet und dem Partner das Feld überlasst. Oder täglich eine halbe Stunde, während die Kleinen Mittagsschlaf machen und die Großen Tablet spielen oder eine Kindersendung schauen dürfen (pädagogisch vielleicht wertlos, aber auch nicht schlimmer als die Tipps der oben genannten “Elternversteher”). Sucht nach Eurem eigenen Weg und geht ihn, ganz ohne schlechtes Gewissen. Es ist so ziemlich alles erlaubt, was Euch hilft, für Eure Kinder da sein zu können, wann immer sie Euch wirklich brauchen.
Doch auch die Zeit, die wir mit unseren Kindern verbringen, kann entschleunigt werden. Wenn alles zu viel wird, dann kann es eine gute Idee sein zu prüfen, was wirklich wichtig ist. Brauchen die Kinder all ihre Hobbys und Vereine? Ist es okay, wenn sie mal eine Weile nicht zum Sport oder zur Musikschule gehen. Haben alle noch Spaß an dem, was wir so machen oder stresst es uns? Ist es wichtig? Müssen Spielbesuche immer bei uns stattfinden und muss ich die Kinder dabei auf Schritt und Tritt begleiten oder dürfen sie auch ein bisschen Freiheit haben – und ich gleichzeitig auch? Hilfreich kann es sein, abends einmal zu reflektieren, was wirklich schön war und was irgendwie nur schön aussah, aber sich stressig anfühlte. Weniger ist mehr – gerade in Phasen, in denen wir intensiv gebraucht werden.
Diese Pausen sind so wichtig und helfen uns, in unserer Kraft zu bleiben und sie in herausfordernden Zeiten wieder mobilisieren zu können. Mir hilft auch sehr, dass ich die Situation annehme. So wie sie ist. Aufhören zu kämpfen und mich anzunehmen mit allen Gefühlen und Gesichtern. Heute morgen weckte mich meine 3- jährige Tochter (die jüngste von 3 Kindern) mit den Worten: „Aufstehen Mama, ich habe keine Lust mehr zu schlafen!“ Trotz Müdigkeit musste ich lächeln. Griff nach ihrer Hand und gemeinsam zündeten wir das Kaminfeuer an und kuschelten uns gemeinsam davor auf eine weiche Decke. Ich hielt sie im Arm und war einfach nur unendlich dankbar für dieses kleine Wesen und für alles was ich lernen darf, seit ich Mami bin.
Danke für diesen Artikel und ich wünsche dir alles Gute
Denise
Das ist ein wirklich guter Tipp. Unser Sohn ist jetzt zwei. Je älter er wird, desto leichter wird es sein, diese kleinen Pausen im Alltag tatsächlich zu schaffen. Ich habe dazu auch gerade einen Artikel geschrieben. Er beschäftigt sich zwar mit dem Krank sein, aber auch diese Tipps kann man ja nutzen, um sich im Alltag kurze Freiräume zu schaffen. Ansonsten appelliere ich ja immer gerne an den Clan. 🙂 Herzlichen Dank für den Artikel. Hab ihn gleich mal auf meiner Facebook-Seite geteilt. Leider konnte ich Deine Facebook-Seite nicht finden. Habt ihr eine? Würde gerne ein Like dalassen. 🙂 Herzlichst, Deine Jenniffer
Hey, ja, den Clan finde ich da auch besonders wichtig! Ich habe eine Facebook-Seite, hast du sie inzwischen entdeckt? Ansonsten findest du sie jetzt ganz unten im Blog bei Social ;-).
Liebe Grüße und einen schönen und entspannten Abend.