Licht und Dunkelheit – oder die zwei verschiedenen Sichtweisen auf diese Woche.
Einerseits wirkte sie wie ein permanenter Ausnahmezustand, der langsam dabei ist Alltag zu werden. Immer ist irgendetwas, nie ist, was man eigentlich braucht. Nie ist Ruhe. Nie ist Zeit. Nie ist Kraft. Nie genüge ich – vor allem nicht meinen Ansprüchen. Doch dann schaue ich auf die Woche und sehe ganz viel andererseits.
Einerseits begann es schon am Montag. Ich hatte Suppe gekocht, für meine Mutter. Sie ist krank und braucht meine Hilfe, meine Fürsorge, meine guten Worte. Die Kinder brauchten mich auch, vor allem als Taxi zu diversen Halloweenpartys, auf die sie eingeladen waren. Also strickte ich einen engen Zeitplan und packte alles ins Auto: Kostümierte Kinder, unkostümiertes Kleinkind und Suppe und fuhr los und gab mir Mühe, den Plan zu halten. Nachdem die Kinder abgegeben waren, sollte es zu meinen Eltern gehen. Drei Orte weiter – doch am Ausgang des zweiten Ortes war Schluss. Den Polizisten, der die Straße absperrte, interessierten meine Pläne nicht und auch nicht meine Suppe. Er machte seinen Job und den musste er machen, denn auf der Strecke, die ich fahren wollte, war ein furchtbarer Unfall passiert. Noch dazu an einer Stelle, die es unmöglich machte, eine Umleitung einzurichten. Der einzig mögliche Umweg hätte Stunden gedauert. Also warten. Was für ein Mist. Einerseits. Andererseits ließ sich alles regeln, die Kinder holte jemand anders ab, das Kleinkind und ich spielten in großen Blätterhaufen und wir warteten. Es dauerte auch gar nicht so lang, wie befürchtet. Andererseits konnte ich dann zu meiner Mutter fahren, ihr Suppe bringen, mit ihr reden, sie aufmuntern und dankbar sein, dass sie gesund werden kann. Was für ein Geschenk, besonders wenn man weiß, dass die Vollsperrung der Mutter einer früheren Freundin aus Kindertagen galt. Sie konnte an diesem Abend nicht von ihren Töchtern mit Suppe besucht werden.
Dagegen war der kleine Auffahrunfall, den mein Mann am nächsten Morgen hatte, eine lächerliche Kleinigkeit. Eine kaputte Stoßstange, ein bisschen Kopfweh – einerseits. Wieder ein Vormittag, den ich nicht zu Hause, sondern im Auto, bei der Werkstatt und beim Arzt verbrachte, wieder ein Vormittag, an dem meine to-do Liste nicht kleiner wurde – andererseits.
Der Banktermin am Mittwoch nervte – einerseits, denn er kostete wieder Zeit. Andererseits darf ich dankbar sein, eine tolle Bankberaterin zu haben, die auf Dinge aufpasst, die ich vergessen würde.
Dass das Kleinkind am Donnerstag geimpft wurde und ich beim Arzt war, statt zu Hause, nervte. Sein Zustand hinterher nervte auch. Einerseits. Andererseits gab es Momente wie diesen – eine kleine Kuscheloase im vollen Alltag.
Dass das Wochenende nicht ruhiger wird, stresst mich – einerseits. Andererseits darf ich feiern. Ich darf das Leben feiern, mit meinem lieben Nachbarn von nebenan, der 70 geworden ist und um den wir uns genau vor einem Jahr um diese Zeit schlimm sorgen mussten. Und ich darf St. Martin feiern. Eins der schönsten Feste überhaupt, wie ich finde. Wir feiern es mit unseren Spielkreisen bereits am Sonntag und tragen so ein bisschen Licht in diese Welt und in das graue Novemberdunkel.
Einerseits bin ich erschlagen von dieser Woche und wünsche mir nichts mehr, als eine große Decke über meinem Kopf – und Ruhe. Andererseits hat sich die Oma heute spontan zum Babysitten angeboten und mein Mann und ich haben beschlossen, dass es die Freitagspizza heute beim Italiener gibt – nur für uns zwei. Wir feiern uns, ohne Grund, einfach so. Weil wir leben, weil wir uns haben und weil wir rocken, auch wenn wir es zwischen dicken Staubmäusen und Wäschebergen tun.