Heute geht es mal um uns Mamas – besser gesagt um Mamas Körper.
Ist es nicht faszinierend, dass dieser immer wieder ein Thema ist? Wenn Frauen Kinder gebären und vor der Entscheidung stehen, ob sie stillen wollen oder nicht, kommen auch immer wieder Fragen darüber auf, wie dies den Körper verändern würde. Vielen Frauen ist es sehr wichtig, dass sie nach der Entbindung schnell wieder ihr Ausgangsgewicht erreicht haben und manchmal, ja manchmal lese ich sogar von Frauen, die eine Schwangerschaft gänzlich ablehnen, weil sie Angst vor den körperlichen Folgen haben.
So richtig verwunderlich ist das alles nicht. Schönheit und ein (angeblich) perfektes Äußeres sind noch immer ein großer Faktor für Anerkennung in unserer Gesellschaft. Besonders für uns Frauen. Während beispielsweise niemand auf die Idee käme, einen männlichen Kandidaten für ein großes politisches Amt nach seinem Äußeren zu bewerten, ist das bei Frauen immer wieder ein Thema (man denke nur an Angela Merkels Typveränderung anlässlich ihres ersten Wahlkampfs). Zur Schönheit gehört dann eben leider auch immer das gerade gängige Idealmaß des weiblichen Körpers. Dies hat sich in der Geschichte der Menschheit immer mal wieder gewandelt. Mal galt ein runder, kurviger, fülliger Körper als schön, mal waren eher dünne, sogar androgyn wirkende Frauen äußerst angesagt. Derzeit haben wir Frauen die Auswahl zwischen Size-Zero-Models und Frauen, die zwar Rundungen haben dürfen, aber nur an den richtigen Stellen. Ein runder, perfekt geformter Po und eben solche Brüste und dazwischen bitte nichts. Mit Bäuchen, großen Oberschenkeln oder allzu deutlichen Zeichen der Schwerkraft können wir Frauen also auch weiterhin nicht punkten. Und eins steht fest – egal ob einfach nur dünn oder dünn mit Kurven, in mehr als Kleidergröße 38 dürfen wir nicht passen, sonst sind wir raus. Die medizinisch längst umstrittene Berechnung des Body Mass Index tut ihr übriges, uns Frauen ein Instrument mit an die Hand zu geben, uns und unseren Körper als nicht gesellschaftsfähig zu empfinden.
Ich habe dem Thema Wunschgewicht bzw. Wohlfühlgewicht einmal für mich persönlich nachgespürt und bin dabei zu erstaunlichen Erkenntnissen gekommen:
Seit ich erwachsen bin, schwankt mein Gewicht, je nach Lebenslage, immer mal wieder stark. Meistens findet man in meinem Kleiderschrank zwischen Größe 36 und Größe 44 alles, weil alles irgendwann in den letzten fünf Jahren einmal gepasst hat. Mein Wunschgewicht liegt irgendwo rund um 62 Kilo. In der Realität war in den letzten zehn Jahren zwischen 57 und 70 alles dabei.
Gewählt habe ich mein Wunschgewicht dabei halbwegs willkürlich. 62 Kilo erschienen mir lange Zeit ein gut haltbares Gewicht, für das ich mich nicht zu sehr zurücknehmen muss. Außerdem ist es noch ein Stück weg vom angeblich ungesunden Bereich und lässt mir auch diesbezüglich Luft nach oben. Irgendwann glaubte ich zudem einmal festgestellt zu haben, dass es bei mir die magische Grenze markiert, zwischen der wünscheswerten 38 und der Schmuddelgröße 40, mit der man als Frau dann schon als nicht mehr schlank gilt.
62 Kilo sind also mein Wunschgewicht, doch interessanterweise nicht mein Wohlfühlgewicht.
Schaue ich Fotos von mir aus den letzten zehn Jahren an, dann gibt es immer wieder welche, bei denen ich ein wohlig warmes Glücksgefühl im Bauch bekomme. Bei denen ich mich sehe, erkenne und einfach nur mag. Es gibt Fotos, in die ich sofort hinein tauchen möchte, um diese Zeit und diese Stimmung noch einmal zu erleben. Und es gibt die anderen. Die Fotos, auf denen ich mich sehe und denke – oh je, das war anstrengend damals. In die ich nur hinein springen möchte, um mich selbst zu umarmen und mir zu sagen, dass wieder bessere Zeiten kommen. Es gibt auch Fotos, auf denen ich mich sehe und kaum erkenne, auf denen ich mir fremd bin. Irgendwann habe ich Erstaunliches festgestellt – auf all diesen Fotos, auf denen ich mich mag und mit denen ich Liebe und Geborgenheit verbinde, wiege ich deutlich mehr als meine 62 Wunschkilos.
Wenn mein Leben über längere Zeit stressig ist, ich Kummer habe oder Angst, schaltet mein Körper sein Notprogramm ein. Er funktioniert dann einfach nur und wendet all meine Kraft auf, um zu tun, was gerade anliegt und getan werden muss. Mich um Babys kümmern, mich aus einer schwierigen Situation rausarbeiten, mich um kranke oder trauernde Familienmitglieder sorgen, einen Umzug organisieren, Scherben auflesen oder das Leben neu ordnen. Dann denkt mein Gehirn nicht an gutes Essen, Süßigkeiten oder ein Glas Wein. Mein Magen hat auch gar keine Lust, sich mit Essen zu befassen, auch er läuft im Notprogramm. Ich scheine in solchen Zeiten unglaublich schnell Kalorien zu verbrauchen, etwas, wovon ich im normalen Leben nur träumen kann und so kommt es, dass ich manchmal in wenigen Wochen 5, 6, 7 oder gar 8 Kilo verliere. Dann bin ich auf einmal schlank, muss einkaufen gehen oder in den tiefsten Tiefen des Schrankes wühlen. Dann passe ich auf einmal in Größe 36, etwas, was mir ansonsten eigentlich nie gelingt.
Doch wenn bessere Zeiten anbrechen, ich mich wieder wohl und geborgen fühle, ich ein liebevolles Zuhause habe oder es für meine Familie selbst schaffe, dann endet das Notfallprogramm. Dann kann ich genießen – gutes Essen, ein Glas Wein, einen Kuchen am Sonntag (oder am Montag, Dienstag, Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag 😉 ). Ich scheine in dieser Zeit selbst mit Sport weniger Kalorien zu verbrauchen, als im Notfallprogramm ganz von allein. Die vielen Kilos, die vorher gefallen sind, kommen zurück – und manchmal bringen sie ihre Freunde mit. Das sind meine Wohlfühlzeiten. Es scheint so, als läge mein Wohlfühlgewicht deutlich über meinem Wunschgewicht.
Attraktivität ist für mich schon immer eng an ein gutes Gefühl geknüpft – unattraktiv habe ich mich somit auch mit fünf bis zehn Kilo mehr nie gefühlt, im Gegenteil, das waren meist die Zeiten, in denen ich mich besonders gern mochte. Und jetzt, als angehende Enddreißigerin, beginne ich auch langsam zu verstehen, dass ich über mein Wohlfühlgewicht selbst entscheiden darf – und dass weder die Gesellschaft, noch der BMI dabei ein Mitspracherecht haben.
Spannend, bei mir ist es umgekehrt: In stressigen Zeiten kompensiere ich mit ungesundem Essen. Werfe Schoki rein, ohne sie zu schmecken. Koche nicht, weil keine Zeit, keine Lust und kein “das bin ich mir wert”. Darum sinds grad ein paar Kilo über meinem Wunsch- UND Wohlfühlgewicht.